"Erkältet oder mit Corona einen Wettkampf zu beenden. Da bin ich strikt dagegen" - Kumulierte Fälle an Herzproblemen im Radsport

Radsport
Donnerstag, 14 Dezember 2023 um 10:15
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Bereits fünf Radprofis mussten 2023 ihre Karriere aufgrund von Herzproblemen vorzeitig beenden. Heinrich Haussler, heutiger Sportlicher Leiter bei BORA – hansgrohe, ist auch so ein Fall und seine Geschichte bringt immer noch ein Runzeln auf die Stirn.
Während der Covid-19 Phase in 2022 erwischte der Virus Haussler im Sommer. Damals selbst als Profifahrer im Peloton unterwegs und mit dem Ziel für die Weltmeisterschaft in Australien, seinem Geburtsland, nominiert zu werden, nahm Haussler während der Erkrankung an der Deutschland Tour teil und fuhr sie auch bis zu Ende. Dies hatte zur Folge, dass während der täglichen Trainingsroutine immer wieder Herzprobleme auftraten und auch bei der Weltmeisterschaft traten Rhythmusstörungen während des Rennens auf. Er hielt sich ca. zwei Minuten am Teamwagen fest, fuhr allerdings dann auch dieses Rennen zu Ende.
Zuvor waren Herzprobleme bei Haussler nur einmalig während eines Trainings in 2020 aufgetreten. Da sich die Situation nach der WM in Australien jedoch nicht wieder normalisierte, wurde ihm vom Teamarzt eine Pause auferlegt. Danach wollte Haussler wieder durchstarten, doch erneut machte ihm sein Herz einen Strich durch die Rechnung, so dass er zur strikten Ruhehaltung seitens des Teamarztes verpflichtet wurde. Der Badischen Zeitung gegenüber äusserte Häussler: "Also saß ich daheim auf der Couch. Nach einer Woche hab' ich gedacht: Einmal locker laufen gehen muss drin sein. Was soll passieren? Da bin ich zusammengebrochen."
Daraufhin wurde bei ihm eine Ventrikuläre Tachykardie diagnostiziert, was letztlich sein Karriereende nach sich zog, da es sich um lebensbedrohliche Herz-Rhythmusstörungen handelte. Jedoch ist Heinrich Haussler kein Ausnahmefall - weitere vier Profi Radsportler, darunter Nathan Van Hooydonck, Wesley Kreder, Niklas Eg und Sep Vanmarcke, die aufgrund von Herzmuskelanomalie, Herzinfarkt, Rhythmusstörungen, Herzrasen ihre Karrieren beenden mussten.

Fahrer sind sensibilisiert worden

Dr. Ortwin Schäfer, Chefarzt bei BORA – hansgrohe, räumt ein, dass durch die Veröffentlichungen die Fahrer sensibilisiert worden seien. Schäfer ist seit langen Jahren im Radsport dabei und untersucht, ob die Profis, die jahrelang unter Höchstbelastung fahren, irgendwann anfälliger für diverse Herzprobleme sind. Hierfür müsse man individuell differenzieren, denn das Herz-Kreislaufsystem sei sehr komplex und man müsse auf unterschiedlichste Parameter Fall für Fall beleuchten. Angeborene Herzerkrankungen, akute Herzmuskelentzündungen, Lebensumstände, Medikamente oder auch mögliches Doping seien Faktoren, die es zu berücksichtigen gelte. Leider teilten viele Fahrer ihre Diagnose nicht mit, was die Sachlage nicht gerade erleichtere.
Generell sei Sport „die beste Pille, die man verordnen kann“, aber auch Schäfer stellt sich immer häufiger die Frage, ob „durch hochintensive Belastung über einen langen Zeitraum eine Überbeanspruchung des Herzkreislaufsystems auftreten“ kann. Nach derzeitiger Sachlage durch Beobachtungen im Spitzensport sei eine Antwort jedoch nicht möglich. Lediglich Hinweise dahingehend seien nachvollziehbar: Bei Spitzensportlern werden ein zwei- bis zehnfach erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern als in der Normalbevölkerung beschrieben – Je nach ausfallen einer Studie. Ihre Koronar-Arterien seine häufiger kalkhaltig und es fänden sich vermehrt narbige Veränderungen am Herzmuskel. Die zuletzt betroffenen Fahrer, die ihre Karriere beenden mussten, haben häufig mit hohen Volumina und großer Belastung von früh auf trainiert. Natürlich sei Sport gesund äußerte Schäfer: "Das ist alles Gegenstand aktueller Forschung, nur ob die Kurve irgendwann kippt, kann niemand sagen."
"Erkältet oder mit Corona einen Wettkampf zu beenden. Da bin ich strikt dagegen"
Die UCI ist als Weltverband sehr gut aufgestellt, was die Früherkennung von Herzproblemen angeht: Viermal im Jahr werden in Bluttests Entzündungs- und Belastungswerte bestimmt. Vor Beginn jeder Saison muss sich jeder einzelne Radprofi einem umfassenden Screening unterziehen mit einem Ruhe-EKG sowie jährlich wechselnd einem Herz-Ultraschall und einem Belastungs-EKG. Allerdings sei eine Definition, wie ein Herz-Ultraschall ausgeführt werden muss nicht gegeben. "Man kann tausend Sachen messen, aber es müssten mal Standards festgelegt werden, was im Sport wichtig ist" betont Schäfer. Er selbst führe zusätzlich bei den Sportlern eine sogenannte Strain-Analyse (Verformungsanalyse des Herzens) durch und hege den Wunsch, dass dieses baldmöglichst zur Pflicht werde.
Die Gründe für Heinrich Hausslers Krankheit liegen nach wie vor im Dunklen, doch für ihn hat sich inzwischen eines deutlich manifestiert: "Erkältet oder mit Corona einen Wettkampf zu beenden. Da bin ich strikt dagegen!" Dieses möchte er allen aufgrund der Erfahrungen, die zum Ende seiner Profilaufbahn geführt haben, sehr ans Herz legen, denn es gebe noch ein Leben danach.