Thijs Zonneveld über den "psychisch angeschlagenen" van der Poel am Ende der Flandern-Rundfahrt: "Er ist erschöpft"

Radsport
Montag, 07 April 2025 um 18:15
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Thijs Zonneveld ist eine der lautstärksten und beliebtesten Stimmen im niederländischen Radsportjournalismus. Doch sein Fazit zur Flandern-Rundfahrt von Mathieu van der Poel fiel kritisch aus: Der Titelverteidiger habe beim Versuch, Tadej Pogačar zu folgen, versagt – mit einer anderen Taktik hätte er womöglich länger mithalten können.

„Van der Poel hat dort schnell aufgeholt, er hat sich mit einer beeindruckenden Kraftanstrengung wieder aufs Rad gesetzt. Aber das hat ihm zugesetzt“, sagte Zonneveld im In de Waaier-Podcast über den zweiten Oude-Kwaremont-Anstieg. „Entweder hätte er mit Pogačar mitfahren oder sich besser positionieren müssen.“

Auch auf dem Oude Kruisberg, wo van der Poel gemeinsam mit Pogačar Mads Pedersen abhängte, sieht Zonneveld verschenktes Potenzial: „Da denkt man: Der hat noch überschüssige Energie. Hinterher sagt er: Ich hatte nie überschüssige Energie und war immer am Limit. Das kann ich aus seiner Sicht verstehen – er ist bessere Beine gewohnt, er ist es gewohnt, einen Überschuss zu haben. Vielleicht wollte er, indem er die Lücken so schnell schloss, sagen: Ich bin sehr gut. Aber im Nachhinein hat ihn das erschöpft. Ich glaube, er hat das schlampig gemacht.“

Beim letzten Mal Oude Kwaremont kam dann der große Einbruch. Van der Poel wurde von der Gruppe um Wout van Aert eingeholt, konnte die letzten Anstiege aber immerhin noch überstehen. „Ich habe das Gefühl, dass van Aert ein besseres Gespür hat und sein Tempo besser kontrollieren kann, weil er öfter mal abgehängt wird. Das passiert van der Poel nicht so oft“, erklärt Zonneveld.

„Jedes Mal vermittelt er den Eindruck, dass er großartig ist – er kontrolliert alles, er ist kraftvoll, explosiv, aggressiv. Aber dann biegen sie auf den Oude Kwaremont ein, van der Poel ist noch perfekt an Pogačars Rad. Und dann passiert es einfach: Noch vor dem Kopfsteinpflaster kann man sehen, wie er einbricht“, meint Zonneveld. Es sei ohnehin klar gewesen, dass Pogačars Tempo für alle anderen zu hoch war: „Er wird erschöpft. Der Kopf geht nach unten, die Ellbogen werden ausgefahren – und dann sieht man, wie der Abstand wächst.“

Von diesem Moment an wirkte es, als hätte in der Verfolgergruppe niemand mehr an den Sieg geglaubt – alle fuhren nur noch um Platz zwei. „Du bist gegen vier, mit Gegenwind bis zum Ziel – du hast keine Chance. Aber es sah auch nie so aus, als würde es passieren“, sagt Zonneveld mit Blick auf einen möglichen Zusammenschluss. „Was van der Poel auf den letzten Kilometern gemacht hat, war wertlos. Fast schon beunruhigend. Er ist auch mental eingebrochen. Er hat alles daran gesetzt, Pogačar zu folgen. Er ist gefahren, um zu gewinnen. Die anderen sind gefahren, um eine Chance auf den Sieg zu haben.“

Für Pogačar hingegen hatte Zonneveld nichts als Lob übrig: „Man vergisst fast, dass er der Sieger der Tour de France ist, der Sieger von Lüttich, jetzt zum zweiten Mal Weltmeister geworden. Ich habe es schon mal gesagt, aber er ist der beste Fahrer aller Zeiten. Er mag noch elf Monument-Siege hinter Eddy Merckx liegen – aber das war eine andere Zeit. Und er ist noch so jung. Während andere sich auf bestimmte Rennen spezialisieren, erweitert er nur sein Spektrum. Wenn das seine Tour-Kampagne nicht beeinträchtigt, wird er das auch in den kommenden Jahren tun.“

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