Noch in diesem Monat finden die UCI-Straßenweltmeisterschaften 2025 in Ruanda statt, wo
Tadej Pogacar als klarer Favorit an den Start geht.
Pogacar dominiert – doch ist er wirklich unschlagbar?
Der slowenische Superstar, amtierender Weltmeister und vierfacher Tour-de-France-Sieger, trifft dort auf einen bergigen Kurs, der seinen Stärken entgegenkommt. Auch
Remco Evenepoel, Weltmeister von 2022, wird antreten – während Jonas Vingegaard seine Teilnahme abgesagt hat. Im Gespräch mit
Bici Sport blickte der ehemalige Profi und heutige TV-Kommentator Riccardo Magrini auf die Saison zurück und wagte einen Ausblick auf Ruanda.
Magrini hat bei seiner Rückschau auf 2025 sofort ein Rennen vor Augen. "Nun, das war der Sieg von Pogacar auf der Cipressa. Van der Poel hat Ganna eindeutig verbrannt, aber ich denke, das war das beste Rennen des ganzen Jahres. Alle Rennen sind schön, aber ich muss sagen, dieses Sanremo, das Sanremo von 2025, wie es sich entwickelt hat und wie es im Finale lief ... das hat mich sehr beeindruckt. Es war wirklich schön."
Nun liegt der Fokus auf Ruanda. Kann Pogacar überhaupt gestoppt werden? "Der Radsport ist eine sehr schöne Sache, weil nichts selbstverständlich ist, selbst bei denen, die auf dem Papier stärker sind. Wir dachten, dass Vingegaard den Angliru fegen würde, aber das war nicht so. Almeida hat dort sehr gut gewonnen. Vingegaard wirkte nicht superdominant, also gibt es einen Weg, Pogacar zu schlagen. Es ist nicht unbedingt wahr, dass er ein Rennkiller ist. Aber die Ruanda-Route sieht sehr hart aus und liegt ihm. Ich glaube, er ist schwer zu schlagen, doch ich habe Hoffnung für unsere Jungs. Es könnte sogar eine kleine Chance geben – warum nicht?"
Evenepoel als Herausforderer mit offenem Visier
Als größten Herausforderer nennt Magrini dennoch Evenepoel. "Dann gibt es natürlich Remco Evenepoel, der 2022 Weltmeister wurde. Wir wissen, dass Remco uns mit seinen Langdistanzattacken schon oft begeistert hat. Diese Saison war von Pech geprägt – ein später Start, dann eine Tour, die früh endete. Sein Problem war das Comeback. Dass er Van Aert direkt im ersten Rennen geschlagen hat, hat uns alle ein wenig getäuscht. Die Tour spiegelte seine Stärke nicht wider, weil er sich zu sehr beeilt hat. Aus Erfahrung weiß ich, dass er die Dinge überstürzt hat und dann den Preis zahlen musste. Jetzt hatte er Zeit, nachzudenken, und ich glaube, er kann sogar gewinnen. Auch wenn die Strecke brutal ist – Remco ist dazu fähig. Er hat das schon bewiesen. Er war nicht nur Dritter, sondern auch Zweiter in der Lombardei. Radsport ist keine Mathematik, es geht nicht nur um Zahlen. Auch der Kopf zählt, und Remco hat oft gezeigt, dass er ein echter Champion ist."
Tadej Pogacar gewann letztes Jahr das Regenbogentrikot in Zürich
Ein prominenter Abwesender in Ruanda ist Jonas Vingegaard, und Riccardo Magrini machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung. "Er wird nicht an den Weltmeisterschaften teilnehmen. Hat mich das überrascht? Nein. Aber ich bin absolut nicht einverstanden. Ich bin dafür, dass alle dabei sind. Ich möchte Van Aert, Van der Poel, Evenepoel, Roglic – ich möchte sie alle sehen. Wenn er sich dagegen entscheidet, ist das seine Sache. Er wird die Europameisterschaft fahren, die wohl ebenfalls schwer ist, aber die Europameisterschaft ist nicht die
Weltmeisterschaft. Es hat keinen Sinn, sich zu verstecken. Wäre er dort und würde Pogacar schlagen, wäre das großartig – aber ich glaube, es wird schwierig."
Italienische Perspektive
Auch die italienische Perspektive kam zur Sprache. "Was die Italiener betrifft: Milan, Grünes Trikot bei der Tour. Ganna, der jetzt bei der Vuelta wächst und sich auf die EM vorbereitet. Ciccone, großartig in San Sebastian, und Pellizzari. Welcher Italiener hat mich 2025 am meisten beeindruckt? Sicher Ciccone. Er ist stark zurückgekommen und fuhr ein herausragendes San Sebastian. Mit seiner Vuelta-Strategie bin ich allerdings nicht einverstanden. Bei seiner Form hätte ich eher die Weltmeisterschaften im Blick gehabt. Er wollte GC fahren, er fährt GC und liegt noch immer in den Top Ten – aber meiner Meinung nach hätte er seine Kräfte besser einteilen sollen."
Besonders angetan zeigte sich Magrini von
Filippo Ganna. "Es ist schade, dass er die Tour so früh verlassen musste. Ganna ist ein Fahrer, den ich gerne öfter in Aktion sehen würde. Dieses Jahr stand er in Sanremo wieder auf dem Podium. Er begeistert im Zeitfahren und könnte noch mehr für Italien leisten. Pellizzari war solide, aber er sollte mutiger agieren. Und Tiberi? Leider die größte Enttäuschung. Antonio ist sehr intelligent, aber er hat praktisch drei Grand Tours verloren. Natürlich gibt es auch Lichtblicke wie Scaroni. Insgesamt sehe ich den italienischen Radsport 2025 stark – trotz der Rückschläge wie Carusos Verletzung vor der Vuelta, die ein harter Schlag war. Er wäre das ideale Bindeglied zu Tiberi gewesen."
Ein weiteres Thema: die junge Generation. "Die Tour de l’Avenir hat sehr vielversprechende Fahrer gezeigt.
Jorgen Nordhagen zum Beispiel – was er mit 18 Jahren schon leistet, ist unfassbar. Er hat die Tour de l’Avenir souverän gewonnen und ist stark im Zeitfahren. Jetzt fährt er die Elite-WM und auch die Lombardei. Ein großes Talent, auch wenn man ihn vielleicht etwas zu sehr fordert. Aber gut, das gehört dazu."
Für Magrini gibt es dennoch ein Rennen, das alles überstrahlt. "Auf welches freue ich mich am meisten? Auf die Weltmeisterschaften. Am 28. September ist es soweit – der Tag, auf den wir alle warten. Pogacar wird da sein, erst in Kanada bei Montreal und Quebec, dann in Ruanda. Die Strecke ist verändert worden, vielleicht gewinnt er ja beides. Er ist hungrig genug. Aber egal, was kommt – die WM ist das Rennen, das mich immer am meisten motiviert. Warten wir also auf die Weltmeisterschaften."