Julian Alaphilippe-Transfer: Erfolg oder Enttäuschung? | Keine WM-Titel-Ambitionen, aber hat Tudor genug vom Franzosen profitiert?

Radsport
Donnerstag, 13 November 2025 um 11:15
Alaphilippe lieferte im Frühjahr keine Resultate, aber... 'Aura'. @Imago
Julian Alaphilippe ist ein Fahrer mit großem Namen. Nach mehreren Jahren interner Spannungen bei Soudal–Quick-Step vollzog der Franzose vergangenen Winter seinen großen Wechsel zum Tudor Pro Cycling Team. Ein kompletter Tapetenwechsel für den zweifachen Weltmeister, der nun das Aushängeschild eines ehrgeizigen ProTeams ist – mit neuen Erwartungen, Zielen und einer veränderten Rolle innerhalb der Mannschaft.

Ende einer Ära bei Quick-Step

Seine Profikarriere begann 2013, nachdem er in der französischen U23-Szene aufgefallen war. Der größte Teil von Alaphilippes Laufbahn ist untrennbar mit Quick-Step verbunden – einem Team, das traditionell von Klassikerspezialisten und Sprintern geprägt war. Obwohl er kein typischer Kopfsteinpflaster-Fahrer war, zählte er als explosiver Puncheur zur absoluten Weltspitze. Kaum jemand konnte seine wiederholten, kurzen Antritte auf steilen Rampen kontern.
In den 2020er-Jahren folgten seine größten Triumphe: Doppel-Weltmeister in Imola und Leuven, nach seiner magischen Tour de France 2019, in der er zwei Etappen gewann und im Gelben Trikot Frankreichs Traum vom Toursieg wiederbelebte. Insgesamt holte er sechs Etappensiege bei der Tour, dazu Erfolge beim Giro und der Vuelta, in Sanremo, Strade Bianche, San Sebastián und das Bergtrikot der Tour. Doch ab 2022 verlor Alaphilippe an Glanz – bedingt durch Stürze, Krankheiten und harsche öffentliche Kritik von Teamchef Patrick Lefevere. Dessen persönliche Spitzen – teils gegen Alaphilippes Frau Marion Rousse – gingen weit über sportliche Analysen hinaus. Der Bruch war unvermeidlich. Ende 2024 trennten sich beide – bemerkenswerterweise verließ auch Lefevere das Team.

Holpriger Start, aber Aufwind für Tudor

Schon früh im Jahr war zu spüren: Bei Tudor Pro Cycling wehte ein anderer Wind. Das Team setzte auf einen professionellen Auftritt, präsentierte sich mit großen Namen – Alaphilippe, Marc Hirschi, Fabian Cancellara – und hatte plötzlich eine mediale Strahlkraft, die für ein ProTeam außergewöhnlich war. Alaphilippe war das Symbol dieser Ambition: Weltmeister, Monumente-Gewinner, Publikumsliebling.
Sportlich jedoch blieb der große Durchbruch zunächst aus. Alaphilippe war nicht der allein Schuldige – die moderne Generation um Pogacar und Evenepoel hat das Terrain der Puncheure weitgehend erobert. Rennen für Spezialisten seines Typs sind selten geworden. Im Frühjahr blieb der Franzose ohne Resultat, sein aktivster Moment war eine Attacke beim Amstel Gold Race, die letztlich Pogacars Sieg vorbereitete – Symbol eines neuen Kräfteverhältnisses im Peloton.

Wiedererstarkung im Sommer

Mit dem Sommer kam ein anderer Alaphilippe. Das Kletterniveau des Pelotons 2025 liegt deutlich über dem von 2019, als er um den Toursieg kämpfte. Umso bemerkenswerter war sein fünfter Gesamtrang bei der Tour de Suisse, inklusive starker Leistungen auf Hochgebirgsetappen. Auch sein fünfter Platz auf der zweiten Tour-Etappe nach Boulogne-sur-Mer – hinter Van der Poel, Pogacar, Vingegaard und Grégoire – zeigte, dass er wieder konkurrenzfähig war.
Ohne die „Aliens“ an der Spitze hätte dieses Niveau für Siege gereicht. Doch die Tour ist gnadenlos: Ohne perfekte Beine, Fortune und Timing bleibt selbst Alaphilippe chancenlos. Auf der 15. Etappe nach Carcassonne feierte er kurzzeitig einen vermeintlichen Triumph – nicht ahnend, dass Tim Wellens und Victor Campenaerts längst durchs Ziel waren. Ein symbolischer Moment einer Saison zwischen Aufbruch und Pech.

Später Lohn in Québec

Im Herbst aber stimmte das Gesamtbild. Bei der Tour of Britain zeigte Alaphilippe seine beste Spätform, wurde Dritter in der Gesamtwertung und kletterte mit den Besten. Der Höhepunkt folgte beim GP de Québec: ein fulminanter Solosieg – taktisch klug, physisch stark, emotional wichtig. Ein Signal, dass der Champion noch da ist. Wenige Wochen später bestätigte er seine Form mit Rang drei bei Tre Valli Varesine hinter Pogacar. Auch das Team profitierte enorm: Michael Storer stand bei Il Lombardia auf dem Podium – gemeinsam mit Pogacar und Evenepoel. Tudor hatte sich im Konzert der Großen etabliert.

Zwischen Bilanz und Aufbruch

Wie erfolgreich Alaphilippes Wechsel war, hängt von der Perspektive ab. Wer Grand-Tour-Siege oder WM-Titel erwartete, musste realistisch bleiben. Doch wer seine letzten Jahre bei Quick-Step als Maßstab nimmt, sieht: Der 33-Jährige hat bei Tudor geliefert – sportlich solide, menschlich gereift und als Botschafter einer Mannschaft, die erstmals dauerhaft im Rampenlicht steht.
Julian Alaphilippe ist nicht mehr der ungestüme Angreifer vergangener Jahre. Aber er hat seine Freude am Radsport wiedergefunden – und das, sagt er selbst, „war am Ende das Wichtigste“.
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