EXKLUSIV | UAE-Profi erklärt den Tour-de-Suisse-Zwist zwischen João Almeida und Jan Christen

Radsport
Montag, 29 Dezember 2025 um 11:15
Almeida war nicht begeistert, schenkte seinem Teamkollegen Jan Christen aber einen Etappensieg bei der Volta ao Algarve
Im Profiradsport werden interne Konflikte selten öffentlich ausgetragen. Es gibt jedoch Ausnahmen, und UAE Team Emirates - XRG steht wegen der Fülle an Spitzenfahrern und Anführern oft im Mittelpunkt. Einer der Fahrer des Teams hat CyclingUpToDate, der Schwesterseite von RadsportAktuell, seine Sicht auf den Zusammenstoß zwischen João Almeida und Jan Christen am Eröffnungstag der Tour de Suisse geschildert, der das Team beinahe den Gesamtsieg kostete.
Bei UAE gilt es viele Egos zu moderieren, was nicht immer reibungslos gelingt. Bestes Beispiel ist Juan Ayuso, dessen Vertrag in diesem Sommer einvernehmlich aufgelöst wurde, um dem Spanier den Wechsel zu ermöglichen.
Er war in einen internen Konflikt bei der Tour de France 2024 verwickelt. Auf der 4. Etappe nach Valloire hielt er sich scheinbar im Hintertreffen der GC-Gruppe, während João Almeida und Adam Yates eine Attacke für Tadej Pogacar vorbereiteten. Es war kein Einzelfall. Oft dringt so etwas nicht an die Öffentlichkeit und wird intern geklärt. Manchmal aber gelangt es doch nach außen.
Und am Auftakttag der Tour de Suisse war es ein besonders großer Riss. Das Team trat mit dem Topfavoriten João Almeida an, doch gleich am ersten Tag verlor er über 3 Minuten auf Etappensieger Romain Grégoire und fast drei auf Fahrer wie Kévin Vauquelin (der das Gelbe Trikot bis zum Schlusstag hielt, an dem Almeida ihn schließlich noch überholte) und Julian Alaphilippe. Grund waren Regen und ein chaotischer Rennbeginn. UAE hatte Felix Grossschartner in einer vorderen Gruppe mit über 20 Fahrern, doch das war für die Teamtaktik nicht prioritär.
Was dahinter geschah, hatte beste Voraussetzungen, privat zu bleiben. Die Live-Übertragung hakte wegen des schlechten Wetters, vom Peloton gab es kaum Bilder. Romain Grégoire griff aus der Fluchtgruppe an, gewann die Etappe und prägte den Tag. Über 3 Minuten später traf die GC-Gruppe mit Almeida, Jan Christen und rund 15 weiteren Fahrern ein. Was die TV-Bilder nicht zeigten: einen internen Konflikt zwischen den UAE-Profis – ausgelöst durch Christen.

Mikkel Bjerg rührt die Debatte an

João Almeida forcierte auf den letzten 3 Kilometern des Anstiegs, der 15 Kilometer vor dem Ziel endete. Große Abstände entstanden nicht. Jan Christen attackierte anschließend auf den letzten Kilometern nach Küssnacht. Der Schweizer schien eine führende Rolle beanspruchen zu wollen und wollte seine Chance auf ein Top-Resultat nicht opfern. Letztlich blieb der Ertrag trotz seines Vorgehens auf Etappe 1 aus.
Gegenüber TV2 machte Teamkollege Mikkel Bjerg damals eine deutliche Ansage: „Ich war sehr überrascht, dass er attackiert hat. Es ist schön zu sehen, dass er gute Beine hat. Schade, dass er noch nicht versteht, wie man dem Rest des Teams hilft, aber so ist es eben.”
Mag der Konflikt intern später bereinigt worden sein, war diese öffentliche Kritik äußerst ungewöhnlich und ein klares Zeichen, dass die Stimmung im UAE-Bus an diesem Tag alles andere als gut war.
Christen im Gelben Trikot auf der Schlussetappe der diesjährigen Volta ao Algarve
Christen im Gelben Trikot auf der Schlussetappe der diesjährigen Volta ao Algarve

Christen erwiderte die Gefälligkeit nicht

Umso überraschender war das Verhalten, bedenkt man, dass Almeida sechs Monate zuvor Christen faktisch einen Sieg „geschenkt“ hatte. Auf der Volta ao Algarve erwies sich die 2. Etappe zum Alto da Fóia als taktisch geprägt. Christen gehörte am Fuß des Schlussanstiegs zu einer späten Ausreißergruppe, während Almeida mit Jonas Vingegaard und Primoz Roglic abwartete. Für UAE lief es ideal: Beide waren in ihren Gruppen die Stärksten.
Christen attackierte zum Sieg, dahinter ließ Almeida Vingegaard überraschend stehen, schloss zu Christen auf, überholte ihn jedoch mit Sicht auf die Linie nicht. In seinem „Heimrennen“ wäre es für Almeida ein sehr prestigeträchtiger, erster Saisonsieg gewesen.
Mit Almeida als Mann, den es in der Schweiz zu schlagen galt, und Christen ohne Favoritenstatus und ohne den ausgewiesenen Leistungsausweis auf langen Anstiegen des Portugiesen, wirkte die Entscheidung, dem Teamkollegen nicht zu helfen, auffallend befremdlich. Viele konnten es nicht nachvollziehen. „An meiner Stelle hätte ich die Gefälligkeit selbstverständlich erwidert“, sagte ein anonymer Fahrer von UAE Team Emirates - XRG zu CyclingUpToDate.
Almeida war nicht begeistert, schenkte seinem Teamkollegen Jan Christen aber einen Etappensieg bei der Volta ao Algarve
Almeida war nicht übermäßig glücklich, schenkte seinem Teamkollegen Jan Christen aber einen Sieg bei der Volta ao Algarve

UAE-Profi äußert Unmut über Christen

Er lieferte Einblicke, warum Christen sich an diesem Tag nicht für Almeida einspannen wollte, obwohl die GC-Ambitionen des Teams auf dem Spiel standen. „Soweit ich weiß, wollte Jan die Tour de Suisse als Kapitän beginnen.“ Der 21-Jährige gab letztlich auf Etappe 6 auf und spielte in Almeidas erfolgreicher Jagd auf Gelb keine Schlüsselrolle.
Er berichtet außerdem, dass Almeida Christen an jenem Tag um Arbeit bat und dieser sich im heiklen Terrain verweigerte. „Dann, bei Regen und allem, waren nur noch João und Jan zusammen. João sagte zu Jan, er solle fahren, und Jan meinte: ‚Nein, mach ich nicht.‘ Also griff João an, wütend.“
Christen erhielt in der Saison 2025 auffällig viele Führungsaufgaben, darunter bei der Clásica San Sebastián, wo er und Isaac del Toro auf dem Schlussanstieg taktisch patzten, sich nicht absetzten und von Giulio Ciccone distanziert wurden. Außerdem wurde er Vierter bei der Tour de Pologne und holte mehrere weitere Topresultate im Jahresverlauf.
2026 werden beide bei der Giro d’Italia gemeinsam antreten, mit Almeida als klarem Favoriten auf Rosa und einem Helferkern um Christen, Adam Yates, Jay Vine, António Morgado, Florian Vermeersch und Igor Arrieta.
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