„Teams blockieren jede Lösung“ – Lappartient wirft dem Peloton Widerstand gegen Sicherheitsreformen vor

Radsport
Samstag, 15 November 2025 um 19:00
davidlappartient
UCI-Präsident David Lappartient hat erneut deutliche Kritik an der internen Blockadehaltung im Profiradsport geäußert. In einem Gespräch mit Ouest-France warnte er davor, dass zu viele Teams Sicherheitsreformen gezielt verhindern – und damit Maßnahmen ausbremsen, die das Risiko im Rennen spürbar senken sollen.
Lappartient erklärte, dass mehrere jüngste Sicherheitsinitiativen auf koordinierte Gegenwehr gestoßen seien. Seine Frustration wurde besonders deutlich, als er schilderte, wie oft Tests boykottiert oder sabotiert werden: „Wenn wir einen Test ohne Funk durchführen, sind die Teams dagegen; wenn wir eine Testphase zur Begrenzung der Übersetzungen einführen wollen, werden wir verklagt; und als wir bei der Women’s Tour de Romandie SafeR-Tests mit GPS-Trackern starten wollten, blieben fünf Teams einfach weg“, sagte er.
Für die UCI wirft dieses wiederkehrende Muster inzwischen grundsätzliche Fragen auf. „Zu viele Teams legen die Arbeit nieder, sobald Lösungen vorgeschlagen werden. Wo ist das gemeinsame Interesse? Ich bin nicht überzeugt, dass die Sicherheit so breit unterstützt wird, wie man uns glauben machen will. Bei Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und Olympischen Spielen habe ich den Funk verboten – taktisch und sicherheitstechnisch sinnvoll –, doch auch dort waren die Teams dagegen.“
Diese Dauerkonflikte zeichnen ein alarmierendes Bild in einer Phase, in der die Geschwindigkeiten weiter steigen und das gesamte Rennumfeld mit jedem technologischen Fortschritt komplexer wird.

Belastungsgrenze beim Wohlergehen: Burnout als zentrale Gefahr

Lappartient lenkte den Blick zudem auf den wachsenden emotionalen und mentalen Druck im Peloton. Während Diskussionen über extreme Schlankheit im Frauenradsport seit Jahren präsent sind, erkennt er ein tieferliegendes, systemisches Problem, das weit über die Körperzusammensetzung hinausreicht.
Am Beispiel von Pauline Ferrand-Prévot betonte er, dass ein niedriges Gewicht oder eine bestimmte Körperkomposition keine Gefahr darstellen müssen – sofern sie professionell und langfristig begleitet werden. „Solange alles unter Kontrolle von Ernährungsberaterinnen und Ernährungsberatern steht und das Gewicht nicht zu schnell reduziert wird, gibt es ein gewisses Maß an Sicherheit“, sagte er. „Mehr Sorgen macht mir der Burnout, der sich entwickeln kann.“
Aus seiner Sicht ist die mentale Belastung inzwischen das deutlich größere Warnsignal. „Die psychische Gesundheit der Fahrerinnen und Fahrer bereitet mir Sorgen, denn im Peloton herrschen enormer Druck und hohe Anspannung: Alle wollen vorne fahren, alle bekommen zur gleichen Zeit die gleichen Anweisungen. Wir sehen heute Nervenzusammenbrüche, die wir früher nicht gesehen haben. Die Fahrerinnen und Fahrer verdienen mehr als früher – aber sie sind weniger glücklich. Ich sehe weniger, die lachen.“
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Frauenradsport im Aufschwung: „Wir haben etwas Wertvolles geschaffen“

Im Kontrast zu den beunruhigenden Entwicklungen an anderer Stelle zeichnete Lappartient ein ausgesprochen positives Bild vom Boom des Frauenradsports – für ihn einer der größten Erfolge des vergangenen Jahrzehnts. Er verwies auf Zahlen, die vor wenigen Jahren noch völlig außerhalb jeder Vorstellungskraft lagen.
„Die Einschaltquoten für den Frauenradsport steigen kontinuierlich, und das freut uns sehr“, sagte er. „Die Zuschauerzahlen für die Schlussetappe der Frauen-Tour lagen höher als jene aller Bergetappen der Männer-Tour.“
Besonders beeindruckt zeigte er sich von der Finaletappe in Châtel, die die zweithöchste Quote des gesamten Radsportjahres erreichte – lediglich übertroffen vom ikonischen Montmartre-Finale der Männer. „Wer hätte das vor fünf Jahren gedacht, als es die Frauen-Tour noch gar nicht gab? Wir haben etwas Wertvolles geschaffen. Die Tour de France Femmes hat bei den TV-Zahlen sogar Roland Garros deutlich übertroffen.“

Pogacar-Dominanz nicht beispiellos: „Es gab immer Phasen absoluter Überlegenheit“

Lappartient wies die Sorge zurück, Tadej Pogačars Dominanz schade dem Sport. Der Radsport habe immer wieder Epochen erlebt, die von herausragenden Athleten geprägt wurden, erklärte er.
„Ja, Pogačar befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere – so wie Merckx oder Hinault in diesem Alter. Es gab immer Phasen absoluter Überlegenheit, und wir wissen, dass das für die Spannung nicht immer ideal ist“, sagte der UCI-Präsident.
Gleichzeitig verwies er auf die packenden, unvorhersehbaren Rennen der jüngsten Vergangenheit. Paris–Roubaix und Mailand–Sanremo hätten gezeigt, dass das Überraschungsmoment im Radsport weiterhin lebendig sei. „Und wenn große Champions einmal nicht gewinnen, ist das auch gut für den Sport.“

Letzte Mahnung: Wachsamkeit ist unverhandelbar

Lappartient schloss mit dem Appell, dass sich der Radsport in Fragen der Fahrerfürsorge und sportlichen Integrität keine Selbstzufriedenheit erlauben dürfe.
„Als Organisation muss man immer Zweifel haben. Zu sicher zu sein, ist gefährlich. Der Radsport macht Fortschritte, aber wir dürfen nicht naiv sein“, mahnte er.
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