Die Kluft zwischen den finanzstärksten und schwächsten WorldTour-Teams war selten größer. Es ist längst kein Geheimnis, dass UAE Team Emirates – XRG mit einem doppelt, teils sogar dreifach so hohen Budget operiert wie Mannschaften vom Kaliber Intermarché – Wanty. Dass Letztere nun die Fusion mit Lotto als Ausweg gewählt haben, um mit vereinten Kräften eine „wettbewerbsfähigere“ Struktur aufzubauen, überrascht kaum. Doch selbst dann bleiben sie weit hinter den finanziellen Möglichkeiten der Topteams zurück, die sich auf dem Transfermarkt nahezu frei bedienen können.
Eine mögliche Lösung wäre die Einführung von Budgetobergrenzen – doch genau dieser Vorschlag wurde abgelehnt. Besonders bemerkenswert: Der Widerstand kam vor allem von den kleineren Teams.
„Die großen Teams verfügen über sehr hohe Budgets. Früher reichte eine vergleichsweise kleine Summe, um gute Ergebnisse zu erzielen – heute bist du damit nur noch Zuschauer“,
erklärte UCI-Präsident David Lappartient gegenüber Ouest-France. „Wir hatten überlegt, für alle Teams eine Budgetobergrenze einzuführen, und paradoxerweise wurde der Vorschlag abgelehnt. Mich hat überrascht, dass gerade die kleineren Teams dagegen waren. Ich halte das für einen Fehler, denn wir müssen die Wettbewerbsbedingungen angleichen.“
Lappartient zeigte sich ratlos: „Warum dagegen stimmen, wenn eine Budgetobergrenze vorgeschlagen wird?“
Laut dem Franzosen hatten die Teams jedoch konkrete Bedenken. Sie argumentierten, dass eine reine Budgetbegrenzung die strukturellen Probleme des Profiradsports nicht lösen würde. „Sie sagten: ‚Ja, aber zuerst muss sich das Radsportmodell ändern.‘ Bei einer Budgetobergrenze wäre vorgesehen gewesen, dass Teams, die sie überschreiten, eine Abgabe zahlen – das Geld wäre an andere Mannschaften geflossen. Es gab also einen ausgleichenden Mechanismus.“
UAE ist nicht mit La Vie Claire vergleichbar
Lappartient zog einen historischen Vergleich, um die aktuelle Dominanz von UAE Team Emirates – XRG einzuordnen. Für ihn erinnert die Situation an die goldene Ära von La Vie Claire in den 1980er-Jahren – jenes legendäre Team um Bernard Hinault und Greg LeMond, das den Radsport jener Zeit prägte.
Neben den beiden zusammen achtfachen Tour-de-France-Siegern zählten auch Andrew Hampsten (späterer Giro-Sieger), Kim Andersen, Jean-François Bernard und Steve Bauer zur Ausnahmeformation – eine Mannschaft, die mit ihrer Kaderstärke und ihren finanziellen Möglichkeiten Maßstäbe setzte und die Konkurrenz ähnlich dominierte wie UAE heute.
UAE Team Emirates - XRG led by Tadej Pogacar seem a level ahead of their competition at the moment
„Wenn man in die Radsportgeschichte blickt, fällt sofort La Vie Claire ein. Das Team belegte bei der Tour de France 1986 die Plätze 1, 2, 4, 7 und 12 – und verfügte damals vermutlich über ein im Verhältnis zur Konkurrenz noch größeres Budget als UAE Team Emirates heute“, erklärte Lappartient. „Ich sage nicht, dass das richtig war. Doch es gab immer Mannschaften mit mehr Ressourcen als andere. Ziel ist es, diese Unterschiede künftig besser zu regulieren. Eine Budgetobergrenze wäre für mich ein wichtiger Schritt in diese Richtung.“
Auf die Frage, ob das Sponsoring-Modell des Radsports inzwischen überholt sei – insbesondere angesichts der hohen Gewinne großer Veranstalter wie der ASO –, wich der Franzose einer klaren Kritik aus. Stattdessen betonte er die positiven Entwicklungen durch die neuen Großsponsoren:
„Man könnte auch sagen, dass der Radsport im Verhältnis zu seinem tatsächlichen Wert lange unterbewertet war und nun eine globale Dimension erreicht hat. Dadurch gewinnen wir Sponsoren mit größerer Strahlkraft und internationalere Teams. Vielleicht ist das einfach der Preis des Erfolgs – denn der Radsport erzielt heute enorme Einschaltquoten. Die eigentlichen Gewinner sind am Ende die Fahrer, die deutlich besser verdienen.“