Der slowenische Nationaltrainer Uroš Murn setzt voll auf Tadej Pogačar. Sein Ziel: Die beiden einzigen Monumente, die der Ausnahmefahrer noch nicht gewonnen hat –
Mailand-Sanremo und
Paris-Roubaix. Gelingt ihm das, wäre Pogačar erst der zweite Fahrer nach Rik Van Looy, der alle fünf Monumente für sich verbucht.
Im SOS-Odmev-Podcast nach der Saison 2025 bekundete Murn unerschütterliches Vertrauen in Pogačars Fähigkeiten. Trotz der Unterschiede zwischen Sanremo und Roubaix – taktisch wie psychisch – sieht er seinen Schützling in der Lage, beide Rennen zu meistern. „Ich glaube wirklich, dass er beide Monumente gewinnen wird“, so Murn. Er ergänzt: „Vielleicht nicht beim nächsten Versuch, aber irgendwann wird er es tun.“
Starke Form und Monument-Erfolge als Fundament
Pogačars bisherige Leistungen stützen Murns Prognose. Er gewann Liège-Bastogne-Liège bereits dreimal (2021, 2024, 2025), dazu fünfmal hintereinander die Lombardei (2021–2025) und zweimal die Flandern-Rundfahrt (2023, 2025). In der Saison 2025 zeigte er sich auch auf Strecken, die ihm bislang verwehrt blieben: In Roubaix belegte er im packenden Duell mit Mathieu van der Poel Platz zwei, in Sanremo errang er erneut den dritten Rang.
Roubaix gilt als besonders fordernd: Kopfsteinpflaster, Stürze, technische Probleme und reiner Kraftaufwand prägen das Rennen. Murn verweist darauf, dass Pogačar bereits bewiesen hat, wie sehr seine physische Stärke auf Kopfsteinpflaster zählt. „Er ist bereits Zweiter in Roubaix geworden – ein Rennen, bei dem rohe Kraft über den Ausgang entscheidet – und davon hat er reichlich“, sagt Murn. Er ergänzt: „Vielleicht klappt es beim nächsten Mal nicht, weil man es noch ein paar Mal fahren muss, aber er wird es schaffen. Das einzige wirkliche Hindernis ist das Glück – ein mechanischer Defekt, und alles ist vorbei.“
Während Roubaix womöglich das größere Hindernis darstellt, sieht der Trainer Mailand-Sanremo als kurzfristig erreichbares Ziel. Er betont, Sanremo erfordere nicht allein Ausdauer, sondern eine gut durchdachte Strategie. „Ich glaube, dass er zuerst Sanremo gewinnen wird“, sagt Murn. Seine Idee: Die VAE-Mannschaft müsse das Rennen an den ersten Anstiegen – Melo, Cervo und Berta – hart machen. So würden die schweren Fahrer bereits erschöpft zu Cipressa und Poggio kommen. Er warnt davor, den Gegnern im Flachen Zeit zur Erholung zu lassen. Wenn das gesamte UAE-Team die letzten 80 Kilometer kontrolliert und selektiv fährt, erscheinen ihm Siegchancen realistisch.
Taktik, Erfahrung und mentale Stärke als Schlüssel
Murn hebt hervor, dass Sanremo oft erst in den letzten zehn Minuten entschieden wird, aber stark geprägt wird von dem, was in den Stunden zuvor geschehen ist. Pogačars Entwicklung in Sanremo unterstreicht das: 2020 belegte er Rang zwölf, 2022 Platz fünf, 2023 Platz vier, in beiden Jahren 2024 und 2025 erreichte er Platz drei. Der Trend spricht dafür, dass der Durchbruch bald gelingt.
In anderen Monumenten etwa in Flandern oder der Lombardei zeigte Pogačar, wie schnell er Rennen kontrollieren kann – mit dominanter Kletterleistung oder taktischem Geschick. Doch in Sanremo und Roubaix reichen reine Kraft und Form nicht aus. Murn sieht in der mentalen Haltung und der Bereitschaft, auf äußere Faktoren zu reagieren, den entscheidenden Unterschied. „Wann immer ihm etwas nicht gelingt, ist er noch motivierter. Das ist es, was ihn antreibt. Tadej ist genau diese Art von Fahrer.“
Der Trainer legt besonderen Wert auf die Autonomie des Fahrers. Er gibt nicht vor, wie Pogačar zu fahren hat, sondern hört zu. Die Strecke analysieren sie gemeinsam, doch im Rennen spürt Pogačar selbst, wo er angreifen kann. Der Rest des Teams folgt seinen Impulsen.
Ein Beispiel lieferte der Sommer bei den Weltmeisterschaften in Kigali: Etwa 104 Kilometer vor dem Ziel griff Pogačar am Berg Kigali an, setzte sich ab und kontrollierte das Rennen bis ins Ziel. Murn lobt die Entscheidung: „Er weiß, dass er einen Vorsprung halten kann, wenn er ihn einmal hat.“ Er hebt hervor, dass Evenepoel in der Ebene stärker sein mag, doch in den Anstiegen Pogačar nicht folgen kann. Und Pogačar kenne seinen Körper so gut, dass er nie über sein Limit geht.
Murns Vertrauen bildet sich nicht allein aus Bewunderung. Er beobachtet seit Jahren, wie Pogačar taktisch reifer wird, wie viel er über Gegner und Rennverlauf lernt. Routinierte Alleingänge, das richtige Timing, die psychologische Komponente – diese Fähigkeiten ergänzen seine physischen Gaben.
Mit 27 Jahren steht Pogačar in der Blüte seiner Karriere. Er besitzt bereits drei Monumente, vier Titel bei der Tour de France, zwei Weltmeistertrikots, eine Europakrone und einen Giro-Sieg. Doch Murn macht deutlich: Der Ehrgeiz bleibt ungebrochen. „Er ist noch nicht fertig“, betont er. „Nicht einmal annähernd.“