Die Saison 2025 markierte das Ende einer langen Reise. Für Arkéa-B&B Hotels war es ein Jahr, das zwischen sportlicher Leidenschaft, wirtschaftlicher Unsicherheit und dem unausweichlichen Abschied von der WorldTour pendelte. Was einst mit ehrgeizigen Zielen und regionalem Stolz begann, endete in einem Kapitel voller Emotionen, Kampfgeist – und bitterer Realität.
Mit bescheidenen Erwartungen und bereits drohenden finanziellen Problemen startete die Mannschaft in das Jahr. Trotz einzelner Erfolge und einer herausragenden Führungsperson in Kévin Vauquelin blieb der Gesamteindruck zwiespältig. Neun Siege konnten die tief sitzenden strukturellen Schwächen nicht kaschieren. Das Team kämpfte bis zuletzt, doch am Ende blieb die Erkenntnis: Leidenschaft allein reicht im modernen Profiradsport nicht mehr aus.
Ein Team, das über zwei Jahrzehnte hinweg für bretonische Identität und unerschütterlichen Einsatz stand, verabschiedete sich nach dieser Saison aus der obersten Liga. Es war kein abruptes Ende, sondern ein schleichender Abschied – begleitet von einem letzten Aufbäumen auf der Straße und einer unübersehbaren Müdigkeit abseits davon.
Ein Team mit Geschichte – und einem schwierigen letzten Kapitel
Arkéa-B&B Hotels steht stellvertretend für viele Mannschaften im französischen Radsport, die über Jahre hinweg mit begrenzten Mitteln gegen die finanzstarken Giganten der Szene antraten. Seit der Gründung im Jahr 2005 – damals noch als Team Bretagne – trug es stets die regionale Herkunft mit Stolz im Namen und in der DNA. Aus einer kleinen, lokalen Struktur entwickelte sich Schritt für Schritt ein stabiles ProTeam, das 2023 den Sprung in die WorldTour schaffte.
Die ersten Jahre in der höchsten Liga liefen vielversprechend. Mit Fahrern wie Warren Barguil, Nairo Quintana und später
Kevin Vauquelin feierte man respektable Erfolge und gewann Anerkennung. Doch in einer Zeit, in der Sponsorenbudgets explodieren und sportliche Leistung eng mit finanzieller Stabilität verknüpft ist, wurde der Abstand zu den Top-Teams immer größer. Der Einstieg des neuen Co-Sponsors B&B Hotels im Jahr 2024 brachte kurzfristig Entlastung, doch die strukturellen Probleme blieben bestehen.
Die Saison 2025 sollte eigentlich die Konsolidierung bringen, doch stattdessen offenbarte sie das ganze Ausmaß der Fragilität. Neun UCI-Siege stehen in der Bilanz – exakt so viele wie im Jahr zuvor. Fünf davon gingen auf das Konto von Vauquelin, dem Ausnahmetalent des Teams. Hinzu kamen zwei Gesamtsiege bei Etappenrennen und ein Erfolg bei einem Eintagesrennen. Doch trotz dieser Teilerfolge rutschte die Mannschaft in der WorldTour-Rangliste weiter ab. Mit 7234,8 Punkten landete Arkéa-B&B Hotels am Ende auf Platz 21 – mitten in der Abstiegszone, flankiert von Cofidis und Intermarché.
Die Punktzahl spiegelt eine Saison wider, in der Einsatz und Leidenschaft vorhanden waren, aber die Resultate auf höchstem Niveau fehlten. Die großen Rennen, die Monumente und die WorldTour-Klassiker blieben meist außerhalb der Reichweite. In Zahlen ausgedrückt war 2025 kein Desaster, aber eben auch kein Jahr, das eine Zukunft versprach.
Frühjahrsrückblick
Die Frühjahrsklassiker sollten ein Gradmesser für die Form und das Selbstverständnis des Teams werden – doch stattdessen offenbarten sie die Grenzen. Schon früh in der Saison zeigte sich, dass Arkéa-B&B Hotels kaum konkurrenzfähig war, wenn die besten Teams der Welt ihre stärksten Fahrer aufboten.
Mailand–Sanremo, traditionell der erste große Test des Jahres, brachte keine erfreulichen Ergebnisse. Arnaud Démare, einst Sieger des Rennens und Hoffnungsträger im Sprint, blieb im Schatten der Favoriten. Seine Form reichte nicht, um im Finale eine Rolle zu spielen. Bester Arkéa-Fahrer wurde der junge Kévin Vauquelin mit Platz 41 – ein ernüchterndes Resultat, das bereits andeutete, wie schwierig das Frühjahr werden würde.
Auch bei den Kopfsteinpflasterrennen lief wenig zusammen. In Flandern kämpfte das Team vergeblich um Anschluss an die Favoritengruppe. Démare kam als 58. ins Ziel, weit entfernt von den Top 20. Auf den brutalen Pavés von Paris–Roubaix zeigte immerhin der Belgier Jenthe Biermans Einsatz, doch Rang 38 blieb das Maximum. Das war nicht genug, um sportlich Eindruck zu hinterlassen.
Die Gründe lagen auf der Hand: mangelnde Tiefe, fehlende Routiniers für die Klassiker und eine unausgewogene Teamstruktur. Während Mannschaften wie Alpecin-Deceuninck oder UAE Emirates mit klaren Hierarchien und taktischer Präzision fuhren, musste Arkéa improvisieren.
Doch inmitten der Ernüchterung blitzte ein Hoffnungsschimmer auf. Beim Ardennenklassiker La Flèche Wallonne zeigte Vauquelin seine Klasse. Am legendären Anstieg zur Mur de Huy hielt er lange mit den Topstars mit und musste sich am Ende nur Weltmeister Tadej Pogačar geschlagen geben – zehn Sekunden trennten die beiden im Ziel. Dieses Ergebnis war für das Team mehr als nur eine gute Platzierung. Es war ein Moment des Stolzes, ein Beweis, dass sich die Mühen lohnen konnten.
Die restlichen Frühjahrsklassiker verliefen unspektakulär. Es fehlte an Konstanz, an Teamarbeit und am Glauben an große Ergebnisse. Der April endete mit einem ernüchternden Fazit: Die Klassiker-Kampagne hatte gezeigt, wie groß der Rückstand zur Weltspitze geworden war. Und dennoch gab es mit Vauquelins Leistung ein Signal, dass individuelle Klasse auch in schwierigen Zeiten aufblitzen kann.
Grand Tour Saison
Wenn das Frühjahr nicht den erhofften Auftrieb bringt, bleibt die Hoffnung auf die großen Rundfahrten. Für Arkéa-B&B Hotels war das Jahr 2025 ein Lehrstück in Demut, aber auch in sportlicher Würde.
Beim Giro d’Italia schickte das Team eine junge, unerfahrene Mannschaft an den Start. Ziel war nicht die Gesamtwertung, sondern das Sammeln von Erfahrung und das Erzielen einzelner Achtungserfolge. Die Offensive zahlte sich nicht in Etappensiegen aus, aber es gab Fortschritte. Besonders der 22-jährige Norweger Embret Svestad-Bårdseng machte auf sich aufmerksam. In seiner ersten Grand Tour bewies er Ausdauer, taktisches Gespür und mentale Stärke. Mit Platz 22 in der Gesamtwertung und Rang 6 in der Nachwuchswertung setzte er ein Ausrufezeichen – und zeigte, dass das Team durchaus über Talente verfügte, die in Zukunft für Aufsehen sorgen könnten.
Vauquelin an der Spitze der Tour de Suisse. @Sirotti
Die Tour de France war wie jedes Jahr das emotionale Zentrum der Saison. Hier wollte Arkéa-B&B Hotels zeigen, dass es trotz aller Widrigkeiten zur Elite gehören kann. Alle Hoffnungen ruhten auf Kévin Vauquelin. Der junge Franzose hatte sich im Frühjahr als Teamleader etabliert und war nach einem starken Auftritt bei der Tour de Suisse in hervorragender Form.
Von Beginn an zeigte Vauquelin, dass er mehr war als ein Außenseiter. In der ersten Woche trug er das Weiße Trikot des besten Jungprofis – vor Namen wie Remco Evenepoel oder Carlos Rodríguez. Seine Fahrweise war kontrolliert, mutig und reif. Er suchte aktiv das Duell mit den Besten, fuhr taktisch diszipliniert und ließ sich selbst in den Bergen nicht abschütteln.
Am Ende der drei Wochen stand ein siebter Platz in der Gesamtwertung. In der Nachwuchswertung wurde er Dritter – ein herausragendes Ergebnis für einen Fahrer, der noch vor zwei Jahren als Hoffnungsträger galt. Seine Konstanz in den Alpen und Pyrenäen beeindruckte die Konkurrenz. Mehrfach kam er in der Top 10 ins Ziel, auf Etappen 2, 4, 5, 7, 12, 14 und 21 war er stets vorne dabei.
Doch hinter den sportlichen Erfolgen spielte sich eine andere Geschichte ab. Während Vauquelin auf der Straße kämpfte, kämpfte das Team hinter den Kulissen um sein Überleben. Ohne neuen Titelsponsor war klar: Sollte sich die finanzielle Lage nicht binnen Wochen ändern, würde das Team 2026 nicht mehr existieren. In diesem Wissen fuhr Vauquelin, wie er später andeutete, „um das Team zu retten“. Doch er konnte den Lauf der Dinge nicht stoppen.
Die Vuelta España schloss die Grand-Tour-Saison mit gemischten Gefühlen ab. Arkéa trat mit einem jungen, unerfahrenen Aufgebot an, das vor allem auf Etappenerfolge aus war. Doch weder Fortune noch Form waren auf ihrer Seite. Pierre Thierry erreichte als 39. das Ziel und wurde Elfter in der Nachwuchswertung. Es war kein Ruhmesblatt, aber ein würdiger Abschluss einer schwierigen Saison.
Rückblickend war die Tour de France das einzige echte Highlight. Vauquelins Leistung war ein Symbol für den Kampfgeist des Teams – und für die Tragik, dass sportlicher Erfolg manchmal zu spät kommt, um eine Struktur zu retten.
Der Franzose hat eine großartige Tour de France hingelegt, die für das Team den Höhepunkt der Saison darstellt. @Sirotti
Neuanfänge nach dem Abschied
Nach Abschluss der Saison folgte die bittere Gewissheit: Arkéa-B&B Hotels würde sich auflösen. Die Suche nach einem neuen Hauptsponsor blieb erfolglos, und so blieb nur der geordnete Rückzug. Es war ein leiser Abschied, aber einer, der Spuren hinterlässt.
Die Transferperiode wurde damit zur Abschiedsrunde. Kévin Vauquelin, der überragende Fahrer des Jahres, wechselte zu INEOS Grenadiers – eine Entscheidung, die ihm sportlich neue Horizonte eröffnet. Seine Entwicklung hin zu einem potenziellen Grand-Tour-Kapitän wird nun unter professionelleren Bedingungen weitergehen.
Der spanische Kletterer Cristián Rodríguez fand eine neue Heimat bei XDS-Astana, während sein Landsmann Raúl García Pierna bei Movistar unterschrieb. Beide hinterließen beim Team einen guten Eindruck und werden nun versuchen, in stabileren Umfeldern ihre Karriere fortzusetzen.
Arnaud Démare entschied sich, nach 15 Jahren Profikarriere Schluss zu machen. Der 34-Jährige beendete seine Laufbahn knapp unter der Marke von 100 Siegen – eine beeindruckende Bilanz, die seine Klasse unterstreicht. Für Arkéa war sein Rücktritt ein weiterer Einschnitt, ein Symbol dafür, dass ein Zyklus endgültig vorbei war.
Ohne Neuzugänge, ohne klare Zukunft und ohne sportliche Basis endete die Geschichte eines Teams, das stets mehr Herzblut als Budget besaß. Der Name Arkéa wird verschwinden, doch die Erinnerung an seine kämpferische Haltung bleibt. Für viele Fans, besonders in der Bretagne, war das Team ein Stück Identität.
Endurteil 5/10
In nüchternen Zahlen und sportlichen Ergebnissen betrachtet, war 2025 keine erfolgreiche Saison. Doch in der Art, wie die Mannschaft kämpfte, steckt eine gewisse Würde.
Neun Siege, ein starker Tour-de-France-Auftritt, ein glänzender Vauquelin – all das reicht nicht aus, um in der WorldTour zu bestehen, aber es zeigt, dass das Team trotz allem seinen Geist nicht verloren hatte. Vauquelins Leistungen gaben dem Jahr Glanz, ohne ihn wäre die Bilanz ernüchternd. Die Abhängigkeit von einem einzelnen Fahrer war offenkundig, und genau das war die größte Schwäche des Projekts.
Die Klassiker verliefen enttäuschend, die Grand Tours mit Ausnahme der Tour unspektakulär. Die finanziellen Probleme schwebten wie ein Schatten über der gesamten Saison. Trainer, Mechaniker, Fahrer – alle wussten, dass es um mehr ging als um Punkte. Es ging ums Überleben.
Am Ende bleibt ein Team, das mit begrenzten Mitteln viel versucht und anständig gekämpft hat, aber letztlich den Anforderungen der modernen WorldTour nicht mehr gewachsen war. Das Endurteil fällt mit 5/10 aus – eine faire Bewertung für eine Mannschaft, die zwar unterging, aber niemals aufgab.
Diskussion
Fin Major (CyclingUpToDate)
Ich fand die Saison von Arkéa-B&B Hotels sowohl ergreifend als auch traurig. Zu sehen, wie Kévin Vauquelin bei der Tour de France in die Top 10 fuhr, war inspirierend. Man spürte, dass er mehr tat, als nur für sich zu fahren – er kämpfte für ein Team, das ums Überleben rang. Doch jenseits seiner Leistungen blieb wenig. Die Klassiker verliefen glanzlos, die Struktur des Teams wirkte müde. Der Rücktritt von Démare stand sinnbildlich für das Ende einer Ära. Arkéa hätte ein würdigeres Finale verdient.
Rúben Silva (CyclingUpToDate)
Eine schwache Saison, aber keine überraschende. Arkéa war nicht mehr auf WorldTour-Niveau. Der Kader war zu schmal, die finanziellen Mittel zu gering. Andere Teams der zweiten Reihe, etwa Tudor oder Uno-X, wirkten deutlich besser organisiert. Das Fehlen von Fahrern wie Luca Mozzato oder Warren Barguil fiel schwer. Démare konnte an frühere Erfolge nicht anknüpfen, Rodríguez und Pierna mussten ihre Vueltas vorzeitig beenden. Nur Vauquelin glänzte – von Anfang bis Ende.
Seine Leistungen bei der Tour de Suisse und der Tour de France waren außergewöhnlich. Er fuhr wie ein Kapitän, nicht wie ein junger Hoffnungsträger. Doch ein einzelner Fahrer kann ein Team nicht retten, wenn die Struktur fehlt. Ohne ihn wäre Arkéa kaum konkurrenzfähig gewesen. Selbst mit ihm war das Ende unausweichlich.
Ondrej Zhasil (CyclingUpToDate)
Der Abschied von Arkéa verlief sinnbildlich für die gesamte WorldTour-Phase des Teams. Es war stets bemüht, respektabel und professionell, aber nie in der Lage, mit den Besten mitzuhalten. Vauquelin war das leuchtende Ausnahmebeispiel, ein Fahrer mit echtem Top-Niveau. Für INEOS wird er ein Gewinn sein. Doch jenseits seines Namens bleibt kaum etwas, das man mit Begeisterung erinnert.
Arkéa hatte einzelne Lichtblicke – die Tour, Flèche Wallonne – doch zu viele Rennen, in denen man sie kaum sah. Sponsoren suchten nach Sichtbarkeit, und die bekam man bei diesem Team zu selten. Am Ende bleibt eine nüchterne Bilanz: sportlich solide, emotional bewegend, aber nicht ausreichend für den Verbleib in der WorldTour. Meine Bewertung: 2/10.