Michael Storer hat bei der Tour de France 2025 zwar keine Etappe gewonnen – aber das war für ihn und Tudor Pro Cycling zweitrangig. Der 28-jährige Australier sieht den Wert der Teilnahme an seiner ersten Frankreich-Rundfahrt mit dem Schweizer Team nicht in Resultaten, sondern in Sichtbarkeit. „Wir haben vielleicht keine Etappe gewonnen, aber wir haben die Herzen der Fans gewonnen. Wir haben in den sozialen Medien gewonnen“, sagte Storer im Podcast Domestique Hotseat.
Ein besonderer Moment für ihn: Unterstützung durch
Julian Alaphilippe. „Es ist ziemlich cool, wenn Julian für dich fährt“, erzählt er begeistert. „Jeder weiß, wer er ist, was er gemacht hat… Ich halte ihn immer noch für einen der besten Radrennfahrer der Welt.“ Für Storer war es surreal, vom zweifachen Weltmeister bei der Tour de France beschützt und unterstützt zu werden. Noch beeindruckender fand er Alaphilippes Bescheidenheit. „Er hat einfach gesagt: An diesen bestimmten Tagen helfe ich dir“, so Storer. Ohne Anweisung von oben, einfach aus eigenem Antrieb.
Julian Alaphilippe hilft trotz seines Status gerne seinen Teamkameraden
Diese Hilfe zahlte sich aus: Auf der sechsten Etappe fuhr Storer auf Rang drei – eine der auffälligsten Leistungen des gesamten Rennens. Ironie dabei: Die Ausreißergruppe war ursprünglich nicht Teil des Plans. „Ich sollte erst ab Etappe zehn angreifen. Aber es dauerte über zwei Stunden, bis sich eine Gruppe gebildet hatte, und niemand von uns war dabei. Also bin ich Simon Yates gefolgt – das war die richtige Entscheidung.“ Der Angriff war nicht autorisiert, doch das Ergebnis gab ihm recht: „Wenn du nach zwei Stunden Rennen der Typ bist, der den entscheidenden Zug macht, fühlst du dich ziemlich krass.“
Trotz solcher Highlights war nicht alles reibungslos bei Tudor. Storer spricht offen über interne Diskussionen zur Taktik. „Vor dem Rennen, nach dem Rennen, im Funk – es gab viele Debatten. Am Ende mache ich das, was mir gesagt wird.“ Dass er oft in Ausreißergruppen geschickt wurde, sieht er rückblickend ebenfalls kritisch. „Ich stimme den Fans zu – das war vielleicht zu viel. Aber es war nicht meine Entscheidung.“
Dennoch: Die Strategie zahlte sich zumindest in Form von Aufmerksamkeit aus. „Julian ganz besonders. Nachdem er Dritter wurde, brachte L'Équipe ein riesiges Foto von ihm auf der Titelseite. Ich glaube nicht, dass sie überhaupt wussten, wer die Etappe gewonnen hat.“
Storer verbrachte große Teile der Tour in Ausreißergruppen – oft gemeinsam mit Quinn Simmons. „Ich habe viel mit ihm gesprochen. Wenn ich in einer Gruppe sein will, dann mit ihm. Der Typ fährt große Zahlen. Wenn du das Feld aufhalten musst, ist er perfekt. Aber ihn im Finale zu schlagen, ist ein Problem.“
Der Australier sieht eine Veränderung in der Dynamik der Ausreißerrollen. „Früher bekam man schnell zehn Minuten Vorsprung. Heute musst du das Rennen gewaltsam aufreißen. Das Peloton lässt dich nicht mehr einfach so ziehen – das macht es brutal.“
Neben der sportlichen Analyse findet Storer auch klare Worte zu Sicherheitsproblemen. „Deshalb stürzen wir auf gerader Strecke – wie in Neapel beim Giro. Die Straße war dreckig, ich wusste, dass wir an diesem Tag alle stürzen würden.“
Auch Tadej Pogacars Renntaktik bei der Tour entging ihm nicht. „Ich hatte an einem Tag die Info, dass Tadej die Etappe nicht gewinnen wollte. Es ist seltsam, wenn dein Team den ganzen Tag Vollgas fährt – und dann entscheidest du dich am letzten Anstieg, nicht zu gewinnen.“
Storer hat Anfang der Saison von Groupama-FDJ zu Tudor gewechselt – ein Schritt, der für ihn mehr als nur sportliche Gründe hatte. „Ich wollte zu einem Team, das sich wirklich darum kümmert, dass ich besser werde. Bei Groupama war das anders. Die erwarten einfach, dass du gut bist – aber helfen dir nicht dabei.“
Bei Tudor hingegen wird er als zentrale Figur behandelt. „Ich bin da so etwas wie ihr Main-Guy. Sie stellen mir viele Ressourcen zur Verfügung – das macht den Unterschied.“
Und was ist mit Fabian Cancellara, dem Aushängeschild des Teams? „Er hält sich ziemlich raus. Er ist mehr Botschafter als Entscheider.“
Typisch Storer – auch in anderen Bereichen nimmt er kein Blatt vor den Mund: „Ich habe kein Problem damit, auf dem Kopfsteinpflaster keine Richard Mille zu tragen“, sagt er über den Uhren-Trend im Peloton. „Alle sind besessen von Aerodynamik und tragen dann Uhren mit Windwiderstand. Das ergibt keinen Sinn.“
Auch vermeintlich magische Erholungstipps entlarvt er: „Kirschsaft? Das bringt vielleicht 0,1 Prozent. Wenn ich Amateur wäre, würde ich mein Geld anders ausgeben.“
Abschließend gibt er dem Radsport Hausaufgaben mit: „Die Lenkerregel ist dumm – breitere Lenker sind wahrscheinlich gefährlicher. Das UCI-Punktesystem? Auch dumm. Wenn es danach ginge, wären wir nächstes Jahr WorldTour. Und bitte – reinigt die Straßen vor den Rennen. Das ist der Grund, warum wir manchmal auf gerader Strecke stürzen.“
Sein Rat an Nachwuchsfahrer ist bodenständig und pragmatisch: „Seid in der U19 richtig gut – sonst wird es schwer. Macht eure Schule gut – das ist die einzige Zeit, in der ihr kostenlose Bildung bekommt. Trainiert effizient und führt ein soziales Leben. Das macht euch zu besseren Menschen – und besseren Radfahrern.“