„Ich träume wie Jonas Vingegaard“ – Der stille Aufstieg des Schweizer Klettertalents Nicola Zumste

Radsport
Donnerstag, 07 August 2025 um 13:00
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Während Jonas Vingegaard diesen August zur Vuelta a España aufbricht, um mit dem Roten Trikot den letzten fehlenden Grand-Tour-Titel zu erobern, blickt ein junger Schweizer ehrfürchtig zu seinem dänischen Vorbild auf. Nicola Zumste, geboren 2006, ist ein Name, der in der U23-Szene zunehmend Gewicht bekommt. Sein Werdegang erinnert in mancher Hinsicht an den von Vingegaard – und ist doch einzigartig.

Der Weg von der Baustelle auf den Gipfel

Zumste, der für den traditionsreichen Velo Club Mendrisio fährt, kommt nicht aus einem Nachwuchsprogramm eines WorldTour-Teams. Vielmehr wählte er einen ungewöhnlichen Weg: Drei Jahre arbeitete er als Maurer in seinem Heimatort Gansingen in der Nordschweiz. „Es war anstrengend, aber ich wollte mein eigenes Geld verdienen“, sagt er rückblickend. „Jetzt, da ich mich ganz dem Radsport widmen kann, erscheint mir alles einfacher. Keine Doppelbelastung mehr – das Training fällt leichter.“
Dass harte Arbeit sich auszahlt, hat er in dieser Saison bewiesen. Sein Sieg beim anspruchsvollen U23-Rennen Zanè–Monte Cengio markiert einen Meilenstein. „Ich hätte mir keinen besseren Sieg vorstellen können“, sagt Zumste im Gespräch mit Bici Sport. „Ich wusste, dass ich Cretti folgen musste – ein erfahrener Fahrer mit beeindruckender Bilanz. Als ich seinen Attacken standhielt, wuchs mein Selbstvertrauen. Am Ende hatte ich den besseren Antritt.“

Klettern als Berufung – und Philosophie

Der 18-Jährige beschreibt sich selbst als „reinen Kletterer“ – eine Erkenntnis, die ihm spätestens beim Etappensieg bei der Tour du Léman kam. „Ich habe Capello geschlagen – einen der besten dieser Kategorie. Da wusste ich, dass ich meinen Stil gefunden habe.“
Doch für Zumste ist das Klettern mehr als eine körperliche Disziplin. Es ist mentale Herausforderung, Kampf mit sich selbst, Ausdruck von Leidensfähigkeit. „Jeder ist allein mit seinen Stärken und Schwächen. Es ist ein stilles Duell. Ich konzentriere mich ganz auf meine Kraft und das, was ich entwickle.“ Seine analytische Herangehensweise spiegelt sich auch in seiner Freizeit wider – er liest wissenschaftliche Bücher über Trainingsmethoden und analysiert seine Leistungsdaten akribisch.

Vingegaard als Leitbild

Sein großes Vorbild? Jonas Vingegaard. „Er ist der Inbegriff eines Kletterers – schlank, wendig und unglaublich im Zeitfahren. Und was ich besonders bewundere: Er ist bereit, den zweiten Platz zu riskieren, um den ersten zu gewinnen“, schwärmt Zumste. „Außerdem hat er sich Jahr für Jahr verbessert, durch konsequentes Training und moderne Methoden. Ich will mich genauso weiterentwickeln.“
Dabei ist ihm bewusst, dass Träume nicht immer Realität werden – und dennoch unverzichtbar sind. „Manchmal fantasiere ich davon, eine schwere Bergetappe der Tour zu gewinnen und dabei das Gelbe Trikot zu tragen. Vielleicht ist das ein zu großer Traum, aber ich träume ihn trotzdem.“

Ein Rückschlag mit Folgen

Nicht jeder Tag verlief ideal. Vor allem ein Erlebnis nagt noch an ihm: die Straßen-WM 2024 in Zürich. „Es war meine Heim-WM – und ich kam als 47. mit über elf Minuten Rückstand ins Ziel. Das hat wehgetan.“ Doch statt zu hadern, nutzt er die Erfahrung als Antrieb.
Seine Ziele hat Zumste klar definiert: „Ich will mich zwei, drei Jahre voll auf den Radsport konzentrieren. Der Giro Next Gen und das Aostatal-Rennen stehen ganz oben auf meiner Liste. Ich will nicht nur mithalten, sondern vorne dabei sein – auch in der Gesamtwertung.“

Ein Team mit Perspektive

Dass er sich für den Velo Club Mendrisio entschieden hat, ist kein Zufall. Der Verein gilt als Sprungbrett für Schweizer Nachwuchsfahrer, die sonst schwer einen Platz in ambitionierten Programmen finden würden. „Für den Schweizer Radsport ist dieses Team extrem wichtig“, erklärt Zumste. „Ich bin dankbar, Teil davon zu sein.“
In Gansingen, seinem Heimatort unweit der deutschen Grenze, bleibt er dennoch verwurzelt – trotz wachsender Ambitionen. „Ich versuche, im Moment zu leben, zu schätzen, was ich habe. Und so bissig wie möglich zu sein.“
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