„Es ist extrem gefährlich – kaum jemand bremst mehr“: INEOS-Ikone Salvatore Puccio verabschiedet sich aus einem Peloton, das er nicht wiedererkennt

Radsport
Dienstag, 28 Oktober 2025 um 17:00
SalvatorePuccio
Nach 14 Jahren im Herzen einer der dominantesten Dynastien des modernen Radsports hat Salvatore Puccio seine Karriere beendet – und gesteht, dass er einen Sport verlässt, der kaum noch dem ähnelt, den er einst betreten hat.
Im Gespräch mit TuttoBiciWeb reflektierte der langjährige Profi von Team Sky und INEOS Grenadiers über den Wandel im Peloton – hin zu einem gefährlicheren, intensiveren und unerbittlicheren Wettkampf als je zuvor.
„Es ist extrem gefährlich und kräftezehrend. Kaum jemand bremst mehr – wenn man nur einen Moment zögert, verliert man vierzig Positionen, und der Weg zurück ist brutal“, erklärte Puccio mit hörbarer Besorgnis. „Lässt man eine winzige Lücke, springt sofort jemand rein. Es ist kein technisches, sondern ein mentales Spiel. Die Stürze, die man im Fernsehen sieht, sind nur ein Prozent dessen, was wirklich passiert.“

Verletzungen, Wandel und neue Realität

Puccios Entscheidung fiel nach einem Jahr voller Verletzungen und Selbstreflexion. Der Sizilianer hatte sich vor der Tour of the Alps das Handgelenk gebrochen und damit den Giro d’Italia verpasst – jenes Rennen, bei dem er 2013 das maglia rosa getragen hatte.
Als er im Sommer zurückkehrte, erkannte er, wie stark sich der Sport verändert hatte: „Der Radsport ist heute viel anspruchsvoller“, sagte er. „Um mithalten zu können, habe ich letzten Winter dreimal täglich trainiert. Auch die Ernährung ist revolutioniert. Früher sind wir nach einem Omelett fünf Stunden gefahren. Heute geht man mit Gels in den Taschen ins Training und lernt, 120 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde aufzunehmen.“
Diese Intensität fordert jedoch ihren Tribut. „Das Feld ist so dicht, dass das Chaos schon bei Kilometer null beginnt“, so Puccio. „Kürzlich bin ich mit 84 Stundenkilometern eine Abfahrt hinuntergefahren – und hatte Angst. Leider glaube ich, dass es nur noch schlimmer wird.“

Loyalität als Lebensmotto

Kaum ein Fahrer verkörperte Loyalität so sehr wie Salvatore Puccio. Seit seinem Profidebüt 2011 blieb er dem Team Sky – später INEOS Grenadiers – treu. Als zuverlässiger Domestik und Straßenkapitän unterstützte er Stars wie Bradley Wiggins, Geraint Thomas, Egan Bernal und Filippo Ganna.
„Ich habe immer dasselbe Trikot getragen, weil ich mich dort wohl gefühlt habe“, erklärte er. „Ich habe viele Teamkollegen kommen und gehen sehen, aber ich bevorzuge Stabilität und Ruhe. Veränderungen liegen mir nicht.“
Zwar blieb ihm ein eigener Profisieg verwehrt, doch für Puccio hatte Erfolg eine andere Bedeutung: „Jeder Sieg meiner Teamkollegen fühlte sich an wie mein eigener“, sagte er. „Ich hatte das Glück, mit echten Champions zu fahren. Als Domestik kannst du alles geben, aber wenn dein Anführer nicht gewinnt, zählt dein Einsatz nichts.“

Ein neues Kapitel im Auto statt im Sattel

Puccio absolvierte seine letzten Rennen auf heimischem Boden – beim Giro dell’Emilia, Tre Valli Varesine und Il Lombardia – und plant nun den nächsten Schritt seiner Laufbahn. Er hat sich bereits für den UCI-Sportdirektorenkurs eingeschrieben und möchte dem Peloton erhalten bleiben – nur in einer neuen Rolle.
„Ich würde gerne ins Teamauto wechseln – auch zu einem anderen Team“, erklärte er. „Ich lasse mich von Matteo Tosatto inspirieren, der Charisma und Leidenschaft ausstrahlt, und von Dario David Cioni, der Ruhe und Besonnenheit verkörpert. Idealerweise wäre ich eine Mischung aus beiden.“
Nach mehr als einem Jahrzehnt selbstloser Arbeit zieht Puccio ein positives Fazit: „Ich bin unglaublich glücklich mit meiner Karriere. Abgesehen von der Müdigkeit würde ich alles noch einmal genauso machen.“
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