Die Route der
Tour de France 2026 ist offiziell vorgestellt – und sorgt bereits jetzt für reichlich Gesprächsstoff. Das CyclingUpToDate-Team hat einen genauen Blick auf die Strecke geworfen: Unsere Autoren teilen ihre Einschätzungen zu den Schlüsselanstiegen, den strategischen Etappen und dazu, wie das Profil den Stars wie
Tadej Pogacar,
Jonas Vingegaard, Remco Evenepoel und anderen liegen dürfte.
Alle bislang bekannten Streckendetails finden Sie in unserer ausführlichen Profilanalyse, die in den kommenden Monaten regelmäßig aktualisiert wird, sobald die Veranstalter die vollständigen Etappenprofile veröffentlichen. Die entscheidenden Eckpunkte des Rennens stehen jedoch bereits fest – und sie versprechen ein spannendes Duell der großen Namen.
Rúben Silva (CyclingUpToDate)
Letztlich ist es eine Strecke, über die ich mich nicht beschweren kann. Auch wenn mir der traditionelle Kurs in diesem Jahr mit seinen immer gleichen Bergetappen wirklich nicht gefallen hat, sorgte der flache und hügelige Auftakt für Spannung, explosive Etappen und geringe Abstände, bis es in die Berge ging.
Das zeigt, dass der Versuch, eine Strecke entweder zu traditionell oder zu modern zu gestalten, immer zwei Seiten hat. Beim Blick auf die Tour 2026 erkenne ich ein ähnliches Muster – diesmal jedoch mit noch stärkerem Fokus auf die „moderne Tour“: viele kurze Bergetappen, insgesamt kompakte Distanzen (nur ein Tag über 200 Kilometer), ein einziges, bergiges Einzelzeitfahren ohne echte Chancen für die Spezialisten und ein extrem anspruchsvoller Start, der den Sprintern erst auf der fünften Etappe eine realistische Siegchance bietet. Etwas mehr Ausgewogenheit wäre wünschenswert, doch die Organisatoren scheinen zunehmend auf Extreme zu setzen.
Trotzdem würde ich der Strecke solide 7 bis 8 von 10 Punkten geben. In den ersten 13 Tagen gibt es nur eine echte Hochgebirgsetappe, was für enge Abstände im Gesamtklassement sorgen dürfte. Etappe 3 verspricht einen spannenden Schlagabtausch zwischen Sprintern, Puncheuren und GC-Fahrern, während Etappe 4 Ausreißern die Chance bietet, das Gelbe Trikot zu übernehmen.
Die Bergetappen sind insgesamt gut gestaltet: Etappe 14 bringt einen echten Hochgebirgstag in den Vogesen, Etappe 15 führt über steile Rampen und endet auf dem brutalen Plateau de Solaison, das endlich wieder Teil der Tour ist. Und obwohl ich der doppelten Alpe d’Huez zunächst skeptisch gegenüberstand, muss ich zugeben, dass sie dieses Konzept überzeugend umgesetzt haben.
Die 19. Etappe wird zu einem echten Watt-pro-Kilo-Test auf der Alpe d’Huez – kurz, intensiv und bis zum Anstieg nicht allzu schwer. Auf dem ikonischsten Berg der Tour dürften neue Rekorde fallen. Doch die 20. Etappe ist das eigentliche Meisterstück: Erstmals endet die Tour auf einer Bergetappe, die härter ist als alle zuvor – mit langen Anstiegen, enormen Höhenmetern und einem Finale über den Col de Sarenne, nachdem zuvor die Croix de Fer und der Galibier von ihren schwersten Seiten bezwungen wurden. Eine so brutale Schlussetappe hält die Spannung bis zuletzt aufrecht – das berühmte „Was wäre wenn?“ bleibt bis zum Schluss präsent, egal ob im Kampf um Gelb oder um die Plätze dahinter.
Meine einzige Sorge gilt dem Abschnitt zwischen Etappe 7 und 13, der kaum Action verspricht. Immerhin haben die Organisatoren bei den Flachetappen zusätzliche Zwischensprints eingebaut – vielleicht (oder hoffentlich) sorgt das für mehr Bewegung im Rennen.
Die Strecke dürfte Tadej Pogačar entgegenkommen – aber das lässt sich ohnehin über fast jede Tour sagen. Er bleibt der Mann, den es zu schlagen gilt. Jonas Vingegaard und Remco Evenepoel werden wohl eher den Giro d’Italia ins Auge fassen, vor allem wenn dort mehr Zeitfahrkilometer geboten werden – denn diese Tour dürfte Evenepoel kaum liegen.
Mathieu van der Poel wird sich vermutlich auf andere Projekte konzentrieren – etwa Mountainbike-Rennen oder einen ruhigeren Sommer. Insgesamt ist die Tour 2026 eine Strecke für Spezialisten: Sprinter oder reine Kletterer werden glänzen können, für Allrounder bietet sie dagegen nur wenig Raum.
Die Tour wird 2026 nach Montmarte zurückkehren. @Imago
Carlos Silva (CiclismoAtual)
Die erste Frage, die sich mir stellt, nachdem ich das Etappenprofil der Tour de France 2026 gesehen habe, lautet: Wird Remco Evenepoel an der Tour teilnehmen?
Ebenso spannend ist die Frage, ob Jonas Vingegaard und Team Visma | Lease a Bike ihre Ambitionen auf den Giro d’Italia aufrechterhalten – oder ob sie doch versuchen werden, Tadej Pogačar herauszufordern, der unaufhaltsam seinem fünften Tour-Sieg entgegenstrebt.
Eines steht fest: Diese Tour wird kein Spaziergang. Es warten sechs Etappen für Sprinter, sechs bis sieben Bergankünfte und nur ein Einzelzeitfahren – ein hügeliges, technisch anspruchsvolles Rennen in der dritten Woche, direkt nach dem zweiten Ruhetag. Es ist kein Terrain für reine Zeitfahrspezialisten, sondern eher ein Test für komplette Rundfahrer.
Der Schwerpunkt der Strecke liegt erneut im Süden und Südosten Frankreichs. Der nördlichste Punkt wird traditionell erst auf der letzten Etappe erreicht, wenn das Peloton über die Kopfsteinpflasterstraßen von Montmartre in Richtung Champs-Élysées rollt. Besonders herausragend sind zwei große Bergankünfte – darunter die finale Etappe auf die Alpe d’Huez, die mit über 5000 Höhenmetern zu den härtesten in der Geschichte des Rennens zählt.
Das Gesamtkonzept wirkt gut durchdacht: Es gibt Etappen für jeden Fahrertyp, ausgewogene Übergangsphasen und ein Finale, das Spannung bis zum letzten Tag verspricht. Eines ist sicher – im Juli 2026 wird es auf französischem Boden wieder ein großes Spektakel geben.
Jorge Borreguero (CiclismoAlDia)
Um ehrlich zu sein, lässt mich die Strecke der Tour de France 2026 ziemlich kalt. Vielleicht liegt es daran, dass die Saison 2025 so spektakulär zu Ende gegangen ist – aber die Neuerungen für das kommende Jahr können mich nicht wirklich überzeugen.
Was mich am meisten stört, ist die Entwertung des Zeitfahrens. Jedes Jahr verliert diese Disziplin in den Grand Tours an Bedeutung, und bei der Tour 2026 ist der Tiefpunkt erreicht: nur ein einziges Einzelzeitfahren, weniger als 30 Kilometer lang. Auch das Mannschaftszeitfahren zu Beginn dürfte keine großen Unterschiede bewirken.
Man hat das Gefühl, dass die Strecke ganz bewusst auf Tadej Pogačar und Jonas Vingegaard zugeschnitten wurde – und auf kaum jemanden sonst. Mit so wenigen Zeitfahrkilometern kann Remco Evenepoel realistischerweise nicht als ernsthafter Anwärter auf den Gesamtsieg gelten. Dabei hätte gerade er, als wohl bester Zeitfahrer der Welt, seinen Rivalen in einem langen, flachen Zeitfahren echte Probleme bereiten können.
Auch die Pyrenäen-Passage wirkt dieses Mal eher symbolisch. Sie dürfte für das Gesamtklassement kaum eine Rolle spielen – ein kurzer, fast überflüssiger Abstecher in ein sonst ikonisches Gebirge.
Es gibt jedoch auch positive Aspekte: Die Entscheidung, die letzte Etappe erneut über Montmartre zu führen, ist ein Gewinn. Das Spektakel im Jahr 2025 – mit dem Sieg von Wout van Aert und einem kämpferischen Pogačar, der trotz sicherem Gesamtsieg noch um den Etappenerfolg sprintete – gehörte zu den Höhepunkten der Saison. Solche Momente machen den Reiz der Tour aus.
Auch einige Mittelgebirgsetappen versprechen Spannung: Sie könnten Schauplatz großartiger Kämpfe zwischen Ausreißern werden – ein Bereich, in dem die Tour zuletzt stark war.
Insgesamt bleibt jedoch der Eindruck, dass diese Strecke etwas zu berechenbar und zu sehr auf Bewährtes gesetzt ist. Mein Fazit: eine solide, aber unspektakuläre Tour – 6 von 10 Punkten.
Die Tour wird 2026 nach Montmarte zurückkehren. @Imago
Ivan Silva (CiclismoAtual)
Was die erste Woche betrifft: Ich bin kein großer Fan von Mannschaftszeitfahren, aber ich verstehe, dass die Organisatoren aus kommerziellen Gründen zwei Tage in Barcelona unterbringen wollten – und das TTT ist wohl der einfachste Weg, das zu erreichen. Mir persönlich wäre ein klassischer Prolog lieber gewesen. Das Mannschaftszeitfahren wird die Gesamtwertung zu stark beeinflussen, sodass ein Sprinter kaum eine Chance hat, das Gelbe Trikot zu übernehmen – weder auf der ersten noch auf der zweiten Etappe.
Auch Hochgebirgsetappen in der ersten Woche gefallen mir nicht. Sie nehmen der Tour die Möglichkeit, dass „Zufallshelden“ oder mutige Ausreißer für ein paar Tage das Gelbe tragen – ein Element, das früher oft für tolle Geschichten sorgte. Vielleicht bieten die Etappen 3 und 4 noch etwas Raum für Überraschungen, aber insgesamt wird das Rennen früh sehr selektiv.
Was mich wirklich stört, sind die vielen Flachetappen ohne jede Dynamik. Fünf Etappen (5, 7, 8, 11 und 13) dürften komplett ereignislos verlaufen – klassische „Snoozer“, bei denen man den Fernseher erst zehn Kilometer vor dem Ziel einschalten muss. Ich dachte eigentlich, die Organisatoren hätten aus den letzten Jahren gelernt. So flache Etappen ohne Anstiege oder Bergpunkte führen fast immer zu Rennen ohne echte Ausreißergruppen.
Die Etappen 9 und 12 zeigen hingegen, wie man Sprintetappen spannend gestaltet – sie haben Charakter, Terrain und taktisches Potenzial. Eine oder zwei der reinen Flachetappen hätte man problemlos durch ein weiteres Einzelzeitfahren ersetzen können. Apropos: Abgesehen vom TTT auf Etappe 1 gibt es nur ein weiteres Zeitfahren, und das ist kurz und hügelig. Ein gewisser Zeitfahr-Weltmeister wird daran wenig Freude haben – ebenso wie Spezialisten à la Ganna oder Tarling, die hier kaum Chancen bekommen.
Im Kampf um die Gesamtwertung wird alles auf die Bergankünfte hinauslaufen. Insgesamt gibt es fünf große Bergetappen, wobei die Doppeltage auf der Alpe d’Huez zweifellos die Königsetappen sind. Mir gefällt, dass man die 20. Etappe als möglichen entscheidenden Tag gesetzt hat – das hält die Spannung bis zum Schluss hoch. Ich würde die 6. Etappe allerdings etwas später im Rennen sehen, aber das ist Geschmackssache. Die Pyrenäen sind in dieser Ausgabe solide eingebaut, ohne wirklich prägend zu sein.
Positiv hervorzuheben sind einige klassikerähnliche Etappen, die echten Renncharakter haben: der Rundkurs auf dem Montjuïc, der immer für Action sorgt, die 10. Etappe, die klug designt ist, und die 17. Etappe, die klar ein Ausreißertag inmitten der GC-Schlachten wird. Das Finale über Montmartre ist erneut ein Highlight – die Show von 2025 war spektakulär, und es spricht viel dafür, dass sich dieses Konzept wieder bewährt.
Fazit: Nicht meine Lieblingsausgabe.
Positiv: Montjuïc, Tourmalet auf Etappe 6, die letzten beiden Bergetappen – absolute Highlights.
Negativ: Zu wenig Zeitfahren, zu viele flache Sprintetappen, kaum Chancen für Sprinter aufs Gelbe, kein Kopfsteinpflaster, wenig Raum für Überraschungen.
Im Grunde werden wir eine Tour der reinen Sprinter und Kletterer erleben – dazwischen kaum Platz für Allrounder. Es würde mich nicht wundern, wenn Mathieu van der Poel die Tour auslässt und Remco Evenepoel seinen Fokus lieber auf Giro oder Vuelta legt.