Massenproteste gegen die Teilnahme von Israel – Premier Tech überschatteten die Schlussetappen der Vuelta a España. Die Demonstrationen führten zur Absage des Finaltages und verhinderten, dass Fahrer und Fans das Gesamtergebnis auf der Straße feiern konnten. Ein sportliches Highlight verwandelte sich in ein politisches Krisenszenario.
Bei einem Rundtischgespräch in der französischen Botschaft in Berlin sprach Tour-de-France-Direktor
Christian Prudhomme über die Vuelta-Proteste. Anlass war die Veröffentlichung eines Buches über die Geschichte der Tour de France. L’Équipe griff seine Aussagen später auf und machte sie zum Mittelpunkt einer Debatte über die politische Anfälligkeit des Radsports.
„Straßenradrennen waren schon immer dem Auf und Ab des Lebens unterworfen, allgemein gesprochen. Der Straßenradsport ist Teil des Lebens, er spürt das tägliche Geschehen mehr als irgendwo sonst in einem geschlossenen Stadion“, erklärte Prudhomme. Der offene Charakter des Sports habe ihn seit über einem Jahrhundert anfällig für Proteste und Zwischenfälle gemacht. „In den 1920er Jahren überfielen Banditen die Tour-Fahrer. Das war schon immer der Fall“, erinnerte er.
Prudhomme betonte zudem, dass Rennorganisationen zwangsläufig Spannungen erzeugen. „Wenn wir irgendwo hingehen, werden immer Fabriken geschlossen, und es sind zwangsläufig Verhandlungen notwendig. Wir kennen diese Zerbrechlichkeit, das ist offensichtlich.“ Dennoch warnte er, dass die aktuellen Entwicklungen Neuland seien. „Die Stärke von Wettkämpfen besteht normalerweise gerade darin, dass die Menschen nicht wollen, dass sie gestört werden. Dies ist ein völlig neues Phänomen.“
Die Tour de France 2026 soll in Barcelona beginnen. Nach den chaotischen Szenen bei der Vuelta wächst jedoch die Unsicherheit, ob der Grand Départ dort tatsächlich stattfinden kann. Die ASO, Veranstalter sowohl der Tour als auch der Vuelta, dürfte spanische Politiker um Garantien bitten. Gleichzeitig bleibt ein Verlegungsplan im Raum, sollte die Sicherheit nicht gewährleistet werden können.
Noch brisanter ist die Lage mit Blick auf das geplante Vuelta-Finale 2026 auf den Kanarischen Inseln. Die Regionalregierung erklärte bereits, keine Etappen auszurichten, wenn Israel – Premier Tech an den Start geht. Diese Haltung erhöht den Druck auf die UCI, die als einziges Gremium über einen Ausschluss des Teams entscheiden könnte.
Die UCI hat bislang an ihrer Linie festgehalten. Sie verweist auf die Empfehlungen des Internationalen Olympischen Komitees, das ein Verbot nicht unterstützt. Damit unterscheidet sich die Haltung von der Entscheidung im Jahr 2022, als russische Teams vom internationalen Radsport ausgeschlossen wurden. Die Fronten sind verhärtet – und der Radsport steht vor einer Zerreißprobe, die weit über sportliche Fragen hinausgeht.