„Die Leute denken, dass er eine schlechte Saison hatte, weil er bei der Tour de France den 2. Platz belegt hat" - Kritik an Jonas Vingegaards Saison 2025 ist "verrückt", sagt die dänische Legende

Radsport
Dienstag, 14 Oktober 2025 um 19:00
jonasvingegaard
Rolf Sørensen, einer der erfolgreichsten dänischen Radprofis der 1990er-Jahre, hat Jonas Vingegaard gegen jüngste Kritik in Schutz genommen. Im Podcast „Café Eddy“ reagierte Sørensen auf Stimmen, die behaupteten, Vingegaards Saison 2025 sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben – und bezeichnete diese Einschätzung als „verrückt“.
Tatsächlich kann die Bilanz des zweifachen Toursiegers kaum als Enttäuschung gelten: Vingegaard wurde Zweiter bei der Tour de France und gewann die Vuelta a España – seine dritte Grand Tour insgesamt. Doch nach einem durchwachsenen Auftritt bei den Europameisterschaften und der Entscheidung, die Weltmeisterschaft in Kigali auszulassen, mehrten sich Stimmen, die seine Saison als „durchwachsen“ bezeichneten.

„Eine fantastische Saison“ – Sørensen kontert die Kritiker

Sørensen hält von dieser Interpretation nichts. „Die Leute scheinen zu denken, dass er eine schlechte Saison hatte, weil er Zweiter bei der Tour de France wurde. Das ist einfach verrückt“, sagte der 59-Jährige. „Er steht zum fünften Mal in Folge auf dem Tour-Podium und hat gerade die Vuelta gewonnen. Das ist eine fantastische Saison.“
Der frühere Klassiker-Spezialist verweist auf die schlichte Tatsache, dass Vingegaard seit Jahren eine beispiellose Konstanz zeigt – in einer Ära, in der Tadej Pogacar nahezu jede Rennserie dominiert. „Jonas ist in einer Zeit erfolgreich, in der wir vielleicht den komplettesten Fahrer der modernen Geschichte erleben. Sich da jedes Jahr auf diesem Niveau zu halten, ist eine Leistung für sich.“

Die Kigali-Frage: Verpasste Chance oder richtige Entscheidung?

Für Diskussionen sorgte im August Vingegaards kurzfristige Absage der Straßenweltmeisterschaft in Ruanda. Zwei Tage vor dem Start der Vuelta hatte er erklärt, nicht an den Titelkämpfen teilnehmen zu wollen – eine Entscheidung, die für viele unverständlich blieb.
„Wenn jemand Pogacar hätte folgen können, dann Vingegaard“, betonte Sørensen. „Er hätte ihn wahrscheinlich nicht geschlagen, aber er hätte um eine Medaille kämpfen können. Seine Form war nach der Vuelta noch auf höchstem Niveau.“
Statt nach Kigali reiste Vingegaard nach Frankreich zu den Europameisterschaften – eine Woche später. Dort wollte er ausgeruht an den Start gehen, um nach der Grand Tour frischer zu sein. Doch der Plan ging nicht auf: Vingegaard blieb blass und selbstkritisch. Später erklärte er, entweder einen schlechten Tag erwischt oder sich nach zwei Wochen Trainingspause noch nicht vollständig erholt zu haben.
Sørensen sieht die WM-Absage deshalb als verpasste Gelegenheit. „Wir werden es nie erfahren“, sagte er im Podcast. „Aber wenn man frisch von einem großen Sieg kommt, trägt einen die Form oft weiter, als man denkt. Vielleicht hätte er in Kigali glänzen können.“

Starke Bilanz, schwacher Schlussakt

Trotz des unspektakulären Saisonendes bleibt Vingegaards Jahr statistisch überragend. Neben seinen Erfolgen bei der Tour und der Vuelta gewann er die Volta ao Algarve, wurde Zweiter beim Critérium du Dauphiné und beendete die Saison als Nummer zwei der Weltrangliste. Nur Mads Pedersen und Jakob Fuglsang hatten diese Position zuvor für Dänemark erreicht.
Damit schloss Vingegaard seine fünfte Saison in Folge als bestplatzierter Däne im WorldTour-Ranking ab – eine Serie, die kein anderer Fahrer seines Landes je vorweisen konnte. Nur Bjarne Riis hatte vor ihm für Dänemark auf dem Tour-Podium gestanden, und das einmal. Vingegaard hat dies fünfmal in Serie geschafft, zweimal als Sieger, dreimal als Zweiter.
„Man muss das Gesamtbild sehen“, betonte Sørensen. „Ein einziges schwaches Rennen am Saisonende ändert nichts daran, dass Jonas einer der konstantesten Grand-Tour-Fahrer seiner Generation ist. Das ist ein Niveau, das nur ganz wenige erreichen.“

Zwischen Kritik und Perfektionismus

Dass Vingegaard sich selbst oft strenger bewertet als Außenstehende, ist bekannt. Nach jeder Saisonanalyse sucht er nach neuen Wegen, sich zu verbessern – sei es in der Vorbereitung, der Ernährung oder der Rennstrategie. Doch Sørensen mahnt zur Gelassenheit: „Jonas ist kein Roboter. Er hat gezeigt, dass er über Jahre auf höchstem Niveau performt. Selbst wenn Pogacar derzeit der Maßstab ist, gehört Jonas zu den ganz Großen.“
Auch im Hinblick auf 2026 zeigt sich Sørensen optimistisch. „Er wird zurückkommen. Er weiß genau, wo er ansetzen muss, um Pogacar wieder herauszufordern. Diese Rivalität ist das Beste, was dem modernen Radsport passieren konnte.“
Jonas Vingegaards 2025er-Saison mag ohne Regenbogentrikot oder Tour-Sieg geendet haben, doch in der Summe bleibt sie ein weiteres Kapitel in einer außergewöhnlich konstanten Karriere. Während Pogacar weiter Geschichte schreibt, ist Vingegaard der Mann, der ihn immer wieder zwingt, an seine Grenzen zu gehen – und genau das, so Sørensen, ist der wahre Maßstab für Größe im Radsport.
Klatscht 1Besucher 1
loading

Gerade In

Beliebte Nachrichten

Loading