Die 20. Etappe des Giro d’Italia 2025 wird in die Geschichte eingehen – nicht nur wegen des Sieges von
Simon Yates, sondern vor allem wegen der verpassten Chancen seiner Rivalen. Der dramatische Showdown am Colle delle Finestre hat taktische Schwächen offenbart – und im Rückblick sorgen die Rollen von
Richard Carapaz und
Isaac del Toro für intensive Diskussionen.
Im The Move-Podcast analysierten
Johan Bruyneel und Spencer Martin die Ereignisse gewohnt schonungslos. Beide sehen in den Fehlern von EF Education–EasyPost und UAE Team Emirates – XRG die Grundlage für Yates’ Coup. Die Kritik beginnt mit einem strategischen Versäumnis: Weder Carapaz' Team noch das von Del Toro schickte einen Fahrer in die große Ausreißergruppe des Tages – eine Gruppe, die am Ende zum Schlüssel für den Etappensieg und die Gesamtwertung werden sollte.
„Das war ein schwerer Fehler“, betonte Bruyneel. „Simon Yates wurde unterschätzt. Ich war mir sicher, dass Wout van Aert die Etappe nicht gewinnen würde – aber seine Präsenz dort hatte einen klaren Zweck.“ Van Aert, einst Helfer von Vingegaard bei dessen Tour-Siegen, hätte – so Bruyneel – als taktische Absicherung fungieren können, etwa um im Tal Unterstützung zu leisten.
Auch bei der Analyse des entscheidenden Anstiegs zum Finestre bleibt Bruyneel deutlich: Carapaz sei zu früh und zu oft in die Offensive gegangen. „Er hat auf den ersten Metern attackiert, mehrfach, obwohl Del Toro mit gleichmäßigem Tempo stets zurückkam.“ Der Ecuadorianer versuchte wiederholt, seinen jungen Konkurrenten loszuwerden – vergeblich. „Wenn du merkst, dass du ihn nicht abschütteln kannst, musst du umdenken“, so Bruyneel. Doch genau das unterließ Carapaz – ein Fehler, der laut Martin letztlich den Giro entschied.
Denn während Del Toro im Rosa Trikot fuhr und mit 21 Jahren seine erste Grand Tour bestritt, blieb Carapaz stur auf Konfrontation. „Carapaz kümmerte sich irgendwann um nichts anderes mehr“, so Bruyneel. „Er hat sich völlig auf Del Toro fixiert – und damit Simon Yates unterschätzt, der hinten mit riesigem Abstand kam und am Ende mit vier Minuten Vorsprung gewann.“
Die Patt-Situation im Tal – Carapaz wollte nicht arbeiten, Del Toro konnte nicht mehr – hätte laut den Experten verhindert werden können. „Wenn Carapaz weitergefahren wäre, hätte Del Toro eine Motivation gehabt, ihn zu jagen. Vielleicht hätte ihn vorne sogar ein Helfer wie Steinhauser unterstützen können“, so der Podcast.
Trotz allem spart Bruyneel nicht mit Anerkennung für den jungen Mexikaner. „Del Toro hat physisch ein großartiges Rennen gefahren. Er hat sich nicht abschütteln lassen und ist bis ans Limit gegangen.“ Fehler habe auch er gemacht – etwa, dass er auf die Attacken Carapaz’ nur reagierte statt selbst Akzente zu setzen. „Aber man kann verstehen, dass er sich nicht in die Führung werfen wollte, wenn Carapaz ihn bei jeder Gelegenheit angreifen wollte.“
Unterm Strich sehen die Experten die größere Schuld dennoch bei Carapaz. „Ob absichtlich oder nicht – er hat zu viel kaputtgemacht. Und Del Toro war schlicht zu unerfahren, um die Situation zu retten.“
Simon Yates hat sich diese Schwächen zunutze gemacht – eiskalt, mit der Erfahrung und dem richtigen Timing. Seine Attacke kam genau im Moment maximaler Verwirrung – und wurde zur historischen Wende des Giro 2025.