Die letzte Bergetappe des Giro d’Italia 2025 hat nicht nur sportlich für Aufsehen gesorgt – auch taktisch wurde sie zum Gesprächsthema. Im Zentrum der Debatte:
Isaac del Toro. Der 21-jährige Mexikaner verlor auf der Königsetappe nach Sestrière nicht nur das Rosa Trikot, sondern auch Sympathien – zumindest bei einigen Beobachtern.
Del Toro hatte sich am legendären Colle delle Finestre dazu entschieden, ausschließlich Richard Carapaz zu folgen, nachdem dieser nicht zur Führungsarbeit bereit war. Der Abstand zu Simon Yates, der sich frühzeitig absetzte, wuchs stetig. Del Toro trat zeitweise kaum noch, aus Frust oder Taktik – das Ergebnis war jedoch fatal:
Visma - Lease a Bike nutzte die Lähmung im Spitzenduo aus, Yates enteilte uneinholbar, und Del Toro verlor das Rosa Trikot deutlich.
Selbst Routinier
Geraint Thomas äußerte sich in ungewöhnlich scharfen Worten: „Braucht man Erfahrung, um zu erkennen, dass der Dritte wegzieht und es Zeit kostet, wenn man aufhört zu treten? Mein Sohn Macs würde das wissen, und er ist fünf.“ Eine klare Kritik an der fehlenden Rennübersicht und Entscheidungsfreude des jungen UAE-Fahrers.
Dabei war Del Toro nicht der einzige, der in diesem Moment Verantwortung trug. Auch Carapaz verweigerte im Tal die Zusammenarbeit – offenbar im Gegenzug für Del Toros Passivität zuvor am Berg. Eine Patt-Situation entstand, die den Traum vom Giro-Sieg für beide zunichtemachte. Ein taktisches Spiel, das zu einem bitteren Stillstand führte.
Doch während viele den Kopf über die Ereignisse schüttelten, gab es auch Stimmen, die Del Toro in Schutz nahmen. Carlos Verona (Lidl-Trek) erinnerte via Social Media daran, dass es im Radsport selten nur Schwarz oder Weiß gibt: „Die perfekte Entscheidung gibt es nicht, besonders nicht, wenn Müdigkeit und Schwung alles beeinflussen. Weder sind die Guten so gut, noch die Bösen so schlecht. Es sind dieselben, nur mit anderen Karten. Ich hoffe, ihr habt diesen Giro genossen.“
Tatsächlich ist Del Toros zweite Gesamtplatzierung ein beachtlicher Erfolg – gerade bei seinem Grand-Tour-Debüt. Vom Edelhelfer zum Anwärter auf das Rosa Trikot, mitten in einer chaotischen dritten Woche, die das UAE Team Emirates in alle Richtungen schleuderte. Seine passive Taktik am Schicksalstag bleibt umstritten, doch sein Auftritt beim Giro bleibt dennoch bemerkenswert.
Ob die Kritik Spuren hinterlässt oder zur Reife beiträgt, wird sich erst bei der nächsten großen Rundfahrt zeigen. Klar ist aber schon jetzt: Del Toro hat Spuren hinterlassen – sportlich wie emotional.