Die bisherigen Saisonrückblicke 2025 wirkten oft düster, doch heute ändert sich das. Die Saison 2025 schrieb ein weiteres prägendes Kapitel für Decathlon AG2R La Mondiale. Zwischen Frühjahrs-Klassikern und drei Grand Tours kombinierte das Team konstante Erträge mit einigen knappen Fehlversuchen, die den Druck hochhielten. Dieser Rückblick seziert die Höhepunkte und Rückschläge der Straßenkampagne der Männer und endet mit einem analytischen Fazit, wo der Rennstall Richtung 2026 steht.
Decathlon AG2R, von Vincent Laven aufgebaut und seit Langem bekannt für die Förderung eigener Talente, kluge Wetten auf aufstrebende Fahrer und regelmäßiges Überperformen gemessen am Budget, erhielt Mitte 2024 frischen Schub: Decathlon verstärkte sein Engagement als Hauptsponsor – ein öffentliches Signal für langfristige Stabilität und Fokus. Der Kader vereinte bewährte Sieger und Perspektivfahrer:
Felix Gall als aufstrebende GC-Hoffnung, der irische Sprint-Routinier Sam Bennett, Klassiker-Finisher Benoit Cosnefroy sowie vielversprechende Franzosen wie Paul Lapeira und Nicolas Prodhomme. Nach einem glänzenden 2024 mit 30 Siegen und einem Sprung in der Rangliste lautete der interne Auftrag für 2025 klar und anspruchsvoll: weiter häufig gewinnen, mehr Chancen auf WorldTour-Niveau verwerten und die Breite stärken, damit einwöchige Rundfahrten und heimische Eintagesrennen ertragreich bleiben.
Wie lief es also 2025 für das Team?
Am Saisonende verbuchte Decathlon AG2R La Mondiale 26 Siege in allen Wettbewerben. Die Summe blieb unter dem großen Wert von 2024, doch die Verteilung überzeugte: Siege in Sprints, harten französischen Eintagesrennen und bergigen Etappen, getragen von mehreren Fahrern.
Benoît Cosnefroy war einer der wenigen Lichtblicke im Frühjahr 2025. @Sirotti
Im UCI-WorldTour-Teamklassement belegten sie Rang sieben – ein Platz unter 2024, aber weiterhin obere Etage und in Reichweite finanzstarker Rivalen. Das Profil der Siege erzählte eine klare Geschichte über die Tiefe. Nicolas Prodhomme wurde mit sechs Erfolgen zum fleißigsten Punktesammler, und 13 Etappensiege über den gesamten Kalender hielten das Team beim täglichen Ertrag konstant im vorderen Feld des Pelotons.
Frühjahr
Das Frühjahr erzählte eine Geschichte zweier Realitäten. Auf dem Kopfsteinpflaster und in den großen Monumenten prägte das Trikot die wichtigsten Momente nicht. Bei Milano–Sanremo blieb der beste Fahrer außerhalb der echten Entscheidung, als Victor Lafay Platz 34 belegte. Auch in Flandern und Roubaix gelang keine Top Ten, doch in Nordfrankreich setzte ein Lichtblick ein Zeichen: Neuzugang Stefan Bissegger fuhr mit einem scharfen 7. Platz bei Paris–Roubaix das beste Teamergebnis dort seit 2018 ein.
Sobald sich der Blick auf hügeligere französische Rennen richtete, hellte sich das Bild deutlich auf. Im Mai meldete sich Benoit Cosnefroy nach einem ruhigen Auftakt zurück und gewann den Grand Prix du Morbihan mit einem perfekt getimten Angriff bergauf. Bei Tro-Bro Leon kontrollierten Bastien Tronchon und Pierre Gautherat das Rennen auf den ribinou, setzten sich ab und holten im Matsch einen eindrucksvollen Doppelsieg. Der französische Kalender zahlte weiter: Aubin Sparfel gewann die Tour du Finistere, und das Team hielt seine starke Form ohne Einbruch.
Dennoch fehlte dem Frühjahr die große Schlagzeile in den Ardennen. Ohne Cosnefroy in den entscheidenden Finalen im April blieb das beste Monument-Ergebnis ein respektabler, wenn auch unspektakulärer Top-20-Platz bei Luttich durch Aurelien Paret-Peintre. Das bestätigte eine vertraute Erkenntnis: Dieser Kader verwandelt zuverlässig in französischen Eintagesrennen und auf mittlerem Terrain, braucht aber weiterhin einen echten Hammerfahrer für die Super-Elite-Klassiker – eine Lücke, die der Transfermarkt Richtung 2026 füllen sollte…
Felix Gall kletterte bei der Tour de France 2025 auf einen beeindruckenden 5. Platz. @Sirotti
Grand-Tour-Saison
Ohne festes GC-Konzept für den Mai in Italien setzte das Team auf Flexibilität und Attacke. Sam Bennett zielte auf die reinen Sprints, erzielte mehrere Top-Fünf-Platzierungen, blieb aber ohne den ersehnten Sieg. Stattdessen kam der Durchbruch in den Hochalpen aus unerwarteter Richtung. Nicolas Prodhomme, sonst oft als Kletterhelfer im Einsatz, erwischte auf der 19. Etappe die richtige Gruppe und griff spät an, um in Champoluc in bemerkenswerter Manier zu gewinnen. Dieser Erfolg krönte einen offensiven Ausreißer-Giro, in dem er zudem Gesamtrang 15 belegte – das beste GC-Ergebnis des Teams. Die Haltung war klar: früh gehen, vorne sein, immer wieder Chancen nehmen. Mission eins, eine Grand-Tour-Etappe zu holen, war, wie sie selbst sagten, „Mission erfüllt“.
Bei der Tour de France spiegelte das Sommer-Highlight gleichermaßen eine neue Haltung wie starke Resultate. Nach einer sieglosen Tour 2024 reiste das Team mit offensivem Kurs an, Felix Gall als eindeutigen Leader. Zentraler Punkt: Sie „befreiten Felix von starren GC-Erwartungen“ und setzten auf Instinkt und selektive Aggression statt reiner Absicherung. Die Ausbeute überzeugte: Gall fuhr mit Gesamtrang 5 sein Karrierebestresultat ein, erarbeitet durch selbstbewusstes Klettern an Tagen wie Super Bagneres und in langen Hochgebirgsetappen rund um den Col de la Loze. Es gab „ein paar kleine Reuepunkte“, besonders das Ausbleiben eines Etappensiegs trotz acht Top-Ten-Ergebnissen von Gall und einigen knappen Chancen anderer, doch das Gesamtpaket passte: Platz 5 in der Mannschaftswertung, Gall stabil in der Weltelite und eine Blaupause, wie dieser Kader ohne Wolkenkratzer-Budget konkurrenzfähig bleibt.
Ein Zurückschalten nach der Tour wäre logisch gewesen. Doch Gall drehte bei der Vuelta a Espana nach und holte Gesamtplatz acht, auch wenn er einräumte, dass zwei Grand Tours in einer Saison „immer schwierig“ sind. Die Schlusswoche zeigte Müdigkeit, aber er hielt stand und reihte sich in einen kleinen Kreis ein: einer von nur drei Fahrern mit Top-Ten-Ergebnissen in zwei Grand Tours 2025. Das Teamzeitfahren zum Auftakt brachte frühe Präsenz, und die offensive Haltung blieb konstant. Das Management sprach von „keine Reue“, auch ohne Etappensieg, weil Intention und Konstanz stimmten. Armirail erwies sich erneut als unverzichtbar, ständig in Ausreißergruppen und am Ende starker 19. des Gesamtklassements, nachdem er auf der 6. Etappe fast das Rote Trikot erobert hätte. In Summe liest sich die Bilanz der Grand Tours stark: ein Etappensieg beim Giro, zwei Top-Ten-Gesamtwertungen (5. Tour, 8. Vuelta) und eine offensive Identität, die auf den größten Bühnen trägt.
Transfers (Saison 2026)
Die Transferbewegungen spiegelten die Leistungsbilanz klar wider. Zwei prominente Neuzugänge kalibrieren Klassiker- und Sprintzug neu: Olav Kooij und Tiesj Benoot mit Dreijahresverträgen. Kooijs Endschnelligkeit gibt dem Team einen echten Finisher als Ersatz für Bennett, und Benoots Erfahrung auf Kopfsteinpflaster sowie in hügeligem Terrain schließt exakt jene Lücke, die das Frühjahr offengelegt hatte. Klartext: Diese Verpflichtungen von Team Visma - Lease a Bike könnten ein entscheidender Schritt sein, um mit dem wachsenden Investment die nächste Leistungsstufe zu erreichen.
Auch die Abgänge wiegen schwer:
Dorian Godon wechselt nach einer Saison mit wichtigen Erfolgen zu Ineos Grenadiers, Dauerarbeiter Bruno Armirail schließt sich Visma - Lease a Bike an, Bennett geht nach vier Abschiedssiegen zu Q36.5, und Cosnefroy, der ein verletzungsgeplagtes Jahr hinter sich hat, zieht es zu UAE Team Emirates - XRG.
Dahinter rückt Jugend nach. Der US-Kletterer Matthew Riccitello kommt, um die GC-Hierarchie zu verbreitern und Gall zu unterstützen, sobald die Straße steil wird. Der Entwicklungspfad bleibt eine echte Stärke. Nach
Paul Seixas’ gelungenem Sprung sind weitere Beförderungen zu erwarten, die die Etappenrennen-Gruppe von Februar bis Oktober belastbar halten sollen. Unterm Strich wirken die Moves stimmig: Kooij schließt die Lücke eines verlässlichen Finishers, Benoot stabilisiert die Klassiker-Tiefe, und Riccitello sorgt dafür, dass Gall in heißen Rennphasen nicht isoliert ist. Am meisten gespannt bin ich jedoch auf den jungen Paul Seixas.
Abschließendes Urteil – 8/10
Kurz gesagt: eine saubere Acht von zehn. Das Team bewies, dass der Sprung von 2024 kein Ausreißer war: 26 Siege, Platz 7 in der WorldTour und greifbare Grand-Tour-Ergebnisse. Galls 5. Rang bei der Tour ragte heraus, getragen von konstant starken Tagesleistungen der gesamten Gruppe. Die Einschränkungen bleiben konstruktiver Natur: knappe Chancen bei der Tour in Etappensiege verwandeln und das Niveau in den Superklassikern anheben. Beides erscheint lösbar, wenn Kooijs Speed früh zündet und Benoot der Klassiker-Einheit Struktur gibt.
Der Trend bleibt positiv. Prodhomme entwickelte sich vom Helfer zum Seriensieger. Die Breite trug in verschiedenen Rennformaten und Ländern. Das erneuerte Sponsorenbekenntnis zur Saisonmitte war mehr als Kosmetik – es passt zur Identität aus kluger Rekrutierung, interner Förderung und offensiver Rennanlage. Mit „Mission erfüllt“ beim Giro, „Felix von starren GC-Erwartungen befreit“ bei der Tour, „immer schwierig“ als Vuelta-Fazit und „keine Reue“ als Schlusswort verlässt Decathlon AG2R La Mondiale das Jahr 2025 mit klarem Selbstbild und geschärftem Werkzeugkasten. Der nächste Schritt liegt auf der Hand: aus einer starken Basis noch größere Tage formen, wenn die Scheinwerfer am hellsten brennen. Her mit Decathlon CMA CGM 2026.
Kann Paul Seixas schon 2026 zum neuen Teamstar werden? @Sirotti
Diskussion
Fin Major (CyclingUpToDate)
Diese Saison fühlte sich für mich erfrischend positiv an im Vergleich zu früheren Bewertungen. Bei Decathlon AG2R La Mondiale 2025 mochte ich, wie klar das Team seine Stärken ausspielte, statt Ergebnisse zu erzwingen. Der Giro-Plan ging auf, der Tour-Lauf mit Gall verlieh spürbaren Schwung, und selbst die Vuelta zeigte, wie belastbar die Tiefe im Spätherbst eines harten Jahres geworden ist. Insgesamt wirkte es wie eine Mannschaft, die genau weiß, wer sie ist und wohin sie will. Für mich ein überzeugender Schritt nach vorn – und ein Jahr, das den Ton für 2026 setzt, besonders mit zusätzlichem Investment.
Ruben Silva (CyclingUpToDate)
Ich würde ihnen dieses Jahr keine 8/10 geben. Klar, es war keine schlechte Saison, aber über eine solide Mitte hinaus wird es schwierig. Das französische Team verfügt über ein hohes Budget, investierte in den vergangenen Jahren aber mehrfach in Fahrer, die unter den Erwartungen blieben.
Dieses Jahr: Sam Bennett. 2024 sahen wir immerhin seine Brillanz bei den 4 Jours de Dunkerque (lief das überhaupt im TV?), diesmal erinnere ich mich kaum an prägende Auftritte. Beim Giro d’Italia, trotz großer Chancen, war er schlicht nicht präsent. Es sind 26 Siege insgesamt, aber nur drei auf WorldTour-Niveau. Der Großteil kam bei kleineren französischen Rennen.
Das fasst Decathlons Saison gut zusammen: ein starker Fokus auf den französischen Kalender, viele Siege und viele Punkte. Gut fürs Team, zweckdienlich und in Frankreich sponsorfreundlich – aber im großen Bild reicht es nicht, um den Ruf der direkten UCI-Konkurrenz anzugreifen. Ja, Dorian Godons nationaler Meistertitel war stark, aber erneut eine Leistung in Frankreich. Paul Seixas, riesige Entdeckung und potenzieller Ranking-Booster für nächstes Jahr… Sein Resultat bei den Europameisterschaften war überragend, aber wieder in Frankreich – und fairerweise nicht im Teamtrikot.
Seixas und Leo Bisiaux versprechen viel für die Zukunft, und Nicolas Prodhomme hat als reiner Kletterer ebenfalls seinen Durchbruch geschafft. Allesamt spannende Fahrer, und die Zukunft des Teams wirkt sehr hell. Für 2026 erwarte ich jedoch deutlich mehr Fokus außerhalb des französischen Kalenders – und auch Erfolge dort.
Felix Gall sehe ich zudem sehr gern. Sein 5. Platz bei der Tour de France war für mich ein klares Ausrufezeichen und absolut verdient. Der Österreicher lieferte auf Topniveau und beweist, dass ein reiner Kletterer ohne „Superteam“ in den Grand Tours weiterhin mit den besten Bergfahrern mithalten kann – eine Spezies, die selten wird. Er konnte das Niveau nicht bis zur Vuelta durchziehen, sah dort aber lange stark aus und holte Platz 8. Gut genug, um das Teamniveau im Peloton sichtbar anzuheben.
Ondrej Zhasil (CyclingUpToDate)
Bei Decathlon ist die Lage relativ klar. Das französische Team befand sich dieses Jahr in einer Übergangsphase – dem Übergang zwischen den Epochen mit und ohne Seixas. Der Franzose bestätigte gegen Saisonende, dass nach oben keine Grenzen gesetzt sind. Sein größter Erfolg kam allerdings nicht im Decathlon-Trikot und zählt daher nicht…
Ansonsten lieferte die Mannschaft weitgehend im Soll: Galls Tour-Top-5, Prodhommes Giro-Etappensieg, beide französischen Meistertitel und insgesamt beachtliche 26 Siege. Der einzige echte Wermutstropfen war das Fehlen der beiden Star-Puncheure Cosnefroy und Lafay wegen wiederkehrender Verletzungen. Es war eine runde, bodenständige Saison für Decathlon, daher sind 7/10 verdient. Doch nächstes Jahr liegt die Messlatte deutlich höher.