Mathieu van der Poel und
Tadej Pogacar sind derzeit die beiden Fahrer im Peloton mit dem höchsten historischen Wert, und sie bleiben ohne Zweifel die Profis mit den dominantesten Siegen gegen ihre Rivalen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie lange sie dieses Niveau mit ihren vielen brutalen Langdistanzattacken und den damit verbundenen enormen Belastungen halten können.
Im Gespräch mit Wielerevue reagierte Ex-Profi
Michael Boogerd darauf, ob er die Dominanz der beiden auf ihrem Terrain weiterhin genießt.
Boogerd über Spannung, Dominanz und die Schönheit dahinter
„Ich habe mich noch nicht daran sattgesehen, ich kann das genießen. Es ist weiterhin Radsport auf höchstem Niveau, und als ehemaliger Fahrer erkenne ich die Schönheit darin. Natürlich hoffe ich auch auf mehr Spannung, etwa in Milano-Sanremo oder Paris-Roubaix, aber ich kann Tadej Pogacar genießen.“
„Ich bin noch nicht vor dem Fernseher weggelaufen. Bei den Weltmeisterschaften habe ich kommentiert, also konnte ich ohnehin nicht gehen“, scherzt er. „Aber ich kann auch den Kampf um Platz zwei und drei hinter Tadej genießen. Da sieht man im Hintergrund wirklich großartige Rennen.“
In dieser Saison bekamen wir deutlicher denn je zu sehen, wozu beide fähig sind: Pogacar fuhr unangefochtene, dominante Solosiege ein, unter anderem bei Strade Bianche, Lüttich-Bastogne-Lüttich, den Weltmeisterschaften, den Europameisterschaften und Il Lombardia. Viele argumentieren, diese Dominanz nehme den Rennen Spannung und Nervenkitzel, und der Unterhaltungswert sinke im Vergleich zu Rennen, in denen sie nicht starten – mit Ausnahme jener Momente, in denen beide in Topform direkt aufeinandertreffen.
„Aber wenn man selbst gefahren ist, weiß man, was es braucht, um das zu leisten, was er macht. Und selbst wenn Pogacar in der Flandern-Rundfahrt solo ins Ziel fährt, sollten Radsportfans dieses Duell mit Van der Poel zu schätzen wissen. Und manchmal wird er ja noch eingeholt, oder? Schaut euch zum Beispiel das Amstel Gold Race im Frühling an. Das hat niemand erwartet, oder?“
Van der Poel holte wegen Pogacar in diesem Jahr zwar weniger Solosiege, zeigte in der Vergangenheit aber identische Qualitäten wie der Slowene. Mit Siegen bei Milano-Sanremo und Paris-Roubaix gibt es keinerlei Grundlage für Kritik oder Zweifel an einem Leistungsabfall.
Irgendwann ist ein Rückgang jedoch unvermeidlich. „Es ist gut möglich, dass es in den kommenden Jahren bei Fahrern wie Pogacar und Van der Poel allmählich bergab geht. Ich weiß aus Erfahrung, dass eine solche Klassikerbelastung bestimmte körperliche Systeme beansprucht. Auch bei Pogacar werden diese Systeme irgendwann erschöpft. Er hat in den letzten fünf Jahren mit enormen Anstrengungen so viel herausgeholt, dass er vielleicht etwas übersättigt wird. Dann erreicht er seine Spitzenleistungen womöglich nicht mehr.“
Können van der Poel und Pogacar dieses Niveau halten?
Für Boogerd bleibt die entscheidende Frage, ob beide ihre offensive Taktik fortsetzen wollen und ob die vielen Langdistanzattacken am Ende physisch oder psychologisch Spuren hinterlassen und ihren Tribut fordern.
„Aber die Körper von Pogacar und Van der Poel erleiden jedes Mal ein kleines Trauma, wenn sie einen derart massiven Solo abliefern. Das kann man nicht ewig durchhalten. Die Cortisolwerte sinken irgendwann.“ Er hält jedoch Pogacars Regeneration zwischen den Rennen für vorbildlich, was das Risiko verringere.
„Was sie wirklich gut machen: Sie legen Pausen ein, wenn sie auf sehr hohem Niveau sind. Pogacar gewinnt zum Beispiel die UAE Tour und setzt danach mit Rennen aus. So muss er nicht zwingend hochintensiv trainieren und wird nie richtig müde. Sie müssen nie bei null anfangen, denn das kostet viel Energie. Schaut euch Fahrer an, die nach einem schweren Sturz zurückkommen müssen.“