Lotte Kopecky fordert, die Menstruation im Radsport endlich ernst zu nehmen – nach ihrer Darstellung herrschen bis heute Scham, Schweigen und Missverständnisse, selbst an der Spitze des Frauenpelotons.
Frisch zur Flandrienne des Jahres gekürt,
sprach die ehemalige Weltmeisterin im Podcast Cafe Koers Klartext: Die wachsende Debatte über Menstruationsgesundheit im Peloton komme viel zu spät.
„Viele Fahrerinnen haben in dieser Saison berichtet, dass es mehr Beschwerden gibt, als die Außenwelt wahrnimmt“, sagte Kopecky. „Wenn man das anspricht, wird es oft noch weggelacht. Aber viele Frauen haben in dieser Phase Beschwerden, die die Leistung beeinträchtigen können.“ Der Stigma-Druck sei in Teamstrukturen besonders ausgeprägt: „Gerade wenn der Trainer ein Mann ist, gibt es noch Hemmungen, darüber zu sprechen. Aber als männlicher Coach musst du dich damit auseinandersetzen, wenn du Frauen trainierst. Das darf kein Tabu sein. Es gehört zum Job.“
Kopecky verweist auch auf ihre eigenen Erfahrungen mit Symptomen. „Ich habe früher selbst stark darunter gelitten – mein Körper hat viel Wasser eingelagert. Wenn das jeden Monat wiederkommt und mit einem wichtigen Ziel zusammenfällt, hast du ein Problem. Du musst lernen, deinen Körper zu verstehen. Mein Rat: Hab keine Angst, um Hilfe zu bitten.“
Ihre Aussagen fallen in eine Phase, in der Menstruationsgesundheit im Spitzencycling so sichtbar ist wie nie – nicht zuletzt nach der
vielbeachteten Ankündigung von Veronica Ewers, 2026 eine Rennpause einzulegen, nachdem sie jahrelang mit RED-S kämpfte und ihre natürliche Periode über ein Jahrzehnt ausblieb.
Ein Peloton, das endlich offen spricht
Ewers’ Offenheit wirkt wie ein Katalysator in einem größeren kulturellen Wandel. In den vergangenen zwei Saisons haben mehrere Topfahrerinnen öffentlich erklärt, wie ihr Zyklus Leistung und langfristige Gesundheit beeinflusst.
Demi Vollering betont immer wieder, der Menstruationszyklus sei „ein normaler Teil des Lebens“ und kein Thema, vor dem man zurückschrecken sollte. Sie spricht von Tagen mit wenig Energie, gestörtem Schlaf und Koordinationsproblemen – aber auch von Phasen, in denen sie sich physisch stärker fühlt und schneller regeneriert. Ihre Botschaft: Wer seinen individuellen Rhythmus versteht, kann die Performance verbessern.
Die Sichtbarkeit reicht bis in die
Tour de France Femmes. Kim Le Court machte öffentlich,
dass sie am Tag ihres Etappensiegs und des Gelben Trikots bei der Tour de France Femmes ihre Periode hatte, und sagte schlicht: „Mein Körper ist müder als sonst. Das ist es, womit wir Frauen umgehen.“
Und das Thema betrifft nicht nur aktive Fahrerinnen.
Lizzie Deignan warnt offen, dass viele junge Radsportlerinnen aufgrund von Unterversorgung und Übertraining ihre Periode verlieren – mit Langzeitrisiken wie niedriger Knochendichte und gestörter endokriner Gesundheit.
British cycling legend Lizzie Deignan has been one of those to speak out about the impact of menstruation in pro cycling
Der Sport erkennt ein Gesundheitsanliegen, nicht eine lästige Nebensache
Der stetige Appell von Stars wie Kopecky, Vollering, Deignan und anderen verschiebt die Haltung im Sport spürbar. Was lange als private Unannehmlichkeit galt – oder früher gar durch hormonelle Unterdrückung umgangen wurde –, wird zunehmend als zentraler Leistungs- und Gesundheitsmarker verstanden.
Der Fall Ewers zeigt, wie gravierend die Langzeitfolgen sein können und warum so viele Fahrerinnen verlangen, dass der Sport das Thema deutlich ernster nimmt.
Kopecky sieht den nächsten Schritt darin, Scham aus Alltagsgesprächen zu nehmen – vor allem in Teamumfeldern, in denen die Leistungssteuerung erfolgt. „Es darf kein Tabu sein. Es gehört in den Sport“, sagte sie und betonte, dass das Verständnis für Symptome essenziell ist – für Athletinnen ebenso wie für das betreuende Personal.
Während das Peloton das Schweigen weiter zurückdrängt, wandelt sich das Thema rasch von einer geflüsterten Nebensache zu einer legitimen Priorität für Leistung und Gesundheit. Kopeckys jüngster Appell verstärkt die Dynamik – und angesichts der Welle an Stimmen im Feld hat der Frauenradsport nicht vor, einen Schritt zurück zu machen.