„Man fährt nicht zur Tour, um zu lernen, sondern um zu gewinnen“ – Cyrille Guimard über Frankreichs neue Hoffnung Paul Seixas

Radsport
Donnerstag, 23 Oktober 2025 um 10:00
Paul Seixas
Die Saison 2025 verlief fast wie eine Kopie des Vorjahres: Tadej Pogačar dominierte nach Belieben – außer, wenn Mathieu van der Poel am Start war. Eine grundlegende Verschiebung in der Weltspitze ist auch 2026 kaum zu erwarten. Doch Frankreich hat ein Ass im Ärmel, das die Zukunft des Sports prägen könnte: Paul Seixas. Der kometenhafte Aufstieg des 19-jährigen Supertalents hat die Radsportwelt elektrisiert – und auch den ehemaligen französischen Nationaltrainer Cyrille Guimard beeindruckt.
„Ich denke, wir haben ein großartiges Jahr hinter uns, geprägt von echten Erfolgen“, sagte Guimard im Gespräch mit Cyclism’Actu. „Vor allem habe ich das Gefühl, dass der Radsport das wiederentdeckt, was ihn immer ausgezeichnet hat: die Rivalität.“
In den letzten Jahren habe der Zweikampf zwischen Jonas Vingegaard und Tadej Pogačar die Tour de France dominiert. Doch inzwischen seien es vor allem die Duelle zwischen dem Slowenen und Mathieu van der Poel bei den Klassikern, die die Zuschauer fesselten. „Zu Zeiten von Anquetil, Poulidor und Robic war es genau das, was das Publikum begeisterte“, erinnert Guimard. „Heute fehlt Pogačar noch ein echter Gegner über eine ganze Generation hinweg. Vingegaard ist ein großartiger Fahrer, aber es gibt keinen dauerhaften Schlagabtausch. Der Radsport lebt von Rivalitäten zwischen Stars – nicht nur von großen Champions.“

Pogacar gegen Seixas: Duell der Generationen?

Guimard sieht die Zukunft des Radsports in einer neuen Dynamik: „Bei den Grand Tours gibt es nur einen Star – Pogačar. Bei den Klassikern haben wir Van der Poel, Pogačar und Evenepoel als dritten Mann. Aber ich spüre, dass bald eine echte Konfrontation zwischen zwei Generationen kommt: Pogačar und Paul Seixas.“
Frankreich könne sich glücklich schätzen, mit Talenten wie Seixas und Paul Magnier zu arbeiten. „Wenn Fahrer Talent, Charisma, ein Lächeln und eine Verbindung zum Publikum haben, verändert das alles. Mit Seixas und Magnier haben wir zwei Fahrer, die das Interesse der Menschen neu entfachen können“, so Guimard.
Seixas, der in diesem Jahr Dritter bei den Europameisterschaften wurde und starke Platzierungen bei der Lombardei-Rundfahrt (7.) und dem Critérium du Dauphiné (8.) einfuhr, gilt längst als Frankreichs Hoffnungsträger für die Grand Tours. Seine Ergebnisse unterstreichen, dass sein Potenzial riesig ist. Doch die Erwartungen wachsen rasant.

„Talent verbrennt nicht – aber Erwartungen können es erschüttern“

„Wir reden viel über ihn, und das ist völlig normal“, meint Guimard. „Was er in den letzten zwei Jahren gezeigt hat, ist außergewöhnlich. Die wahre Gefahr liegt nicht in körperlicher Überlastung – Talent verbrennt nicht. Aber man kann ihn psychologisch mit überzogenen Erwartungen verunsichern.“
Das französische Publikum, notorisch ungeduldig, würde seinen nächsten Gesamtklassement-Star am liebsten sofort im Gelben Trikot sehen. Doch Guimard warnt vor einem zu frühen Start bei der Tour de France: „Wir hören dieselben Diskussionen wie zu Hinaults Zeiten: ‚Soll er schon zur Tour?‘ Ich sage: Man fährt nicht zur Tour, um zu lernen, sondern um zu gewinnen. Ein Fahrer wie Seixas kommt nicht, um Sechster oder Achter zu werden. Wenn er startet, dann um den Sieg zu holen.“

Der Weg zum kompletten Fahrer

Für Guimard steht fest, dass 2026 kein Jahr der Überforderung, sondern des Aufbaus werden muss. „Er braucht Zeit, um die physiologische und mentale Reife zu entwickeln – das passiert mit 21 oder 22 Jahren. 2026 sollte er sich auf die Klassiker und einwöchigen Rundfahrten konzentrieren. Er muss lernen, auf Kopfsteinpflaster zu fahren, mit der Witterung umzugehen, die Schule des Rennens zu verstehen. Nur so wird man ein kompletter Fahrer.“
Erst dann, betont Guimard, sei Seixas bereit für das größte Rennen der Welt. „Wenn er eines Tages zur Tour kommt, dann nicht, um zu lernen – sondern um zu gewinnen.“
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