INTERVIEW Luka Mezgec | Grenzbereich Sprint: ‚Manchmal sind es eher 80 als 70‘ – Slowene über Risiko und Taktik

Radsport
Freitag, 04 Juli 2025 um 20:15
lukamezgec
Team Jayco AlUla empfing an diesem Freitagnachmittag in Lille die Medien, wo die Schlüsselfiguren des Teams ihre Gedanken im Vorfeld der Tour de France 2025 teilten. CyclingUpToDate sprach dabei mit Luka Mezgec – dem Anfahrer von Dylan Groenewegen, der das Team am Saisonende verlassen wird – über die Kunst des Leadouts und darüber, wie sich die Sprints in den letzten Jahren verändert haben.
Der erfahrene Slowene war früher oft selbst auf eigene Sprintchancen aus, hat sich in den letzten Jahren jedoch zu einem der besten Anfahrer im Peloton entwickelt – nicht nur an der Seite von Groenewegen, sondern auch von Caleb Ewan. Mezgec sprach offen darüber, wie sehr sich das Sprintgeschehen in kurzer Zeit gewandelt hat, berichtete von seiner veränderten Vorbereitung auf eine weitere Tour und äußerte sich auch zum erwarteten Duell zwischen Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard.
Frage: Das ist bereits deine sechste Tour de France in Folge, oder? Fühlt es sich anders an als die bisherigen Starts?
Mezgec:  Eigentlich nicht wirklich. Vielleicht ein bisschen entspannter, würde ich sagen. Zumindest gestern bei der Teampräsentation war alles recht unkompliziert, also... nichts besonders anders.
Frage: Die Atmosphäre wirkt diesmal besonders, vor allem weil wir direkt in Frankreich starten.
Mezgec: Stimmt, das ist vielleicht sogar das erste Mal, dass ich in Frankreich starte. Ich vergesse das immer… Italien, Baskenland, Dänemark… Also ja, ist schon eine Weile her, dass der Start hier war. Ich glaube, es ist tatsächlich meine erste Tour, die komplett auf französischem Boden stattfindet.
Frage: Wie lief deine Vorbereitung auf das Rennen?
Mezgec: Die war dieses Jahr etwas anders als in den letzten Jahren. Normalerweise mache ich ein einmonatiges Höhentrainingslager und danach ein, zwei Rennen vor der Tour. Dieses Jahr haben wir einfach durchgehend Rennen gefahren, da war keine Zeit für eine gezielte Tour-Vorbereitung. Ich gehe also diesmal ohne Höhentraining an den Start – und bin ehrlich gesagt gespannt, was das über die nächsten drei Wochen bedeuten wird.
Frage: Denkst du, dass es wichtiger war, mit Dylan Rennen zu fahren und den Motor für die Sprints in Gang zu bringen, als ein Höhentrainingslager zu absolvieren?
Mezgec: Schwer zu sagen. Ich war nach Höhentrainingslagern eigentlich immer ziemlich gut in Form, daher bin ich etwas skeptisch, ob ich jetzt wirklich besser drauf bin als sonst. Aber in den ersten zehn Tagen gibt es nicht so viele lange Ausdaueranstiege, wie du sagst. Da ist es besser, richtig explosiv und spritzig zu sein – und dafür ist es vielleicht sogar besser, wenn man nicht direkt von der Höhe kommt.
Frage: Wie trainierst du die Lead-outs – die Kunst des Anfahrens? Du bist einer der besten im Peloton, wie wird man so gut darin?
Mezgec: Am Anfang steht, dass du einfach schnell sein musst. Du kannst kein reiner Dieseltyp sein, wenn du gute Lead-outs fahren willst. Und das Training besteht vor allem aus Erfahrung: Vorbereitung, Rennplanung, das Lesen der Straßen und der Situation im Peloton. Mit jedem Rennen sammelst du Infos – und dann liegt es an dir, wie du sie analysierst und beim nächsten Mal umsetzt.
Nach all meinen Jahren in der WorldTour habe ich so viele Lead-outs gemacht, dass es mittlerweile ziemlich automatisch abläuft. Ich brauche gar nicht mehr so viel Vorbereitung. In den letzten Jahren haben sich die Sprints aber auch stark verändert. Früher war es ein klassisches Drag-Race – ein langer Zug gegen den nächsten. Heute ist es vielmehr ein ständiger Kampf um Positionen. Da sind im Finale oft fünf, sechs Fahrer auf zwei Metern – das ist Wahnsinn.
Viel hängt vom Glück ab, von der Stärke des Sprinters und davon, dass man am Ende nicht blockiert wird. Heute gewinnt oft nicht mehr derjenige, der den perfekten Lead-out hatte, weil die Geschwindigkeiten so hoch sind, dass es aus der zweiten Position fast zu schwer ist, noch vorbei zu sprinten. Wenn du von hinten kommst, mit dem gesamten Windschatten der anderen, kannst du mit höherem Speed gewinnen.
Das heißt aber auch: Die Rolle des Anfahrers endet heute oft schon bei 500 oder sogar 600–700 Metern vor dem Ziel. Früher war das eher bei 200 Metern der Fall. Es hängt natürlich auch von der Strecke ab – Kurven, Straßenbreite und so weiter. Auf breiten Straßen musst du einfach Raum für deinen Sprinter schaffen – und hoffen, dass er dann den perfekten Lauf bekommt.
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