„Es gibt keine Strecke, auf der Pogacar nicht Favorit wäre“ – Wie sinnvoll ist die Kritik am Tour-Parcours 2026 wirklich?

Radsport
Mittwoch, 29 Oktober 2025 um 20:00
TadejPogacar (2)
Die Diskussion setzte praktisch in dem Moment ein, als Christian Prudhomme die Bühne verließ. Zu wenige Zeitfahrkilometer, ein zu spätes Anhäufen der entscheidenden Etappen, zu viele schwere Berge im Schlusswochenende – so lauteten die ersten Kritikpunkte. Doch wie es Rob Hatch bei der Präsentation live auf TNT Sports treffend formulierte: „Es gibt keine Strecke auf der Welt, auf der Tadej Pogacar nicht als Favorit starten würde.“
Ein Argument, das kaum von der Hand zu weisen ist. Die jüngst enthüllte Tour-de-France-Route für 2026 wirkt weniger wie ein revolutionärer Kurs, sondern vielmehr wie eine bewusste Choreografie, um den GC-Kampf möglichst lange offen zu halten. Spannung statt Überraschungen – das scheint die Devise der Organisatoren zu sein.
Doch im Kern dreht sich alles um eine andere Frage: Wird Pogacar überhaupt antreten? Und falls ja, wer sollte ihn ernsthaft gefährden können? Die Antworten darauf dürften letztlich deutlich mehr Einfluss auf den Verlauf des Rennens haben als jede Diskussion über Prozentwerte oder Gipfelankünfte.
Tadej Pogacar
Pogacar war bei der Europameisterschaft nicht zu stoppen

Eine verkehrsreiche Strecke sorgte für ein spätes Drama

Die Tour der Männer startet in Barcelona mit einem Mannschaftszeitfahren – dem ersten seit 1971 –, bei dem ein experimentelles Format angewendet wird: Die Zeit jedes Fahrers wird einzeln gemessen, nicht nach dem vierten Fahrer über der Linie. Hatch bezeichnete die Etappe treffend als „eine lange Vorarbeit“ für die Gesamtklassementsfahrer.
Von Katalonien bis zu den Pyrenäen zeigt die erste Woche ein vergleichsweise moderates Profil: bekannte Anstiege wie die Tourmalet-Paarung bei Aspen oder das Gipfelfinish in Gavarnie-Gèdre sorgen zwar für erste Selektion, bergen aber wenig Potenzial für Chaos. „Zeitunterschiede sind zu erwarten, aber wahrscheinlich noch keine großen – die Organisatoren wollen das Feld eng halten“, so Hatch.
Die zweite Woche führt durch Bordeaux und das Zentralmassiv, bevor die Etappe am Bastille-Tag nach Loudon die Fahrer auf härteres Terrain vorbereitet. Die steilen Schlussetappen auf dem Plateau de Solaison und in Vaujany lassen bereits die Alpenahnung aufkommen – das eigentliche Drama wird jedoch dort, in den Alpen, seinen Höhepunkt erreichen.

Brutale Doppelspitze auf Alpe d'Huez

Wie Eurosport-Reporter Louis Pierre Frileux bei der Streckenpräsentation ergänzte, werden die entscheidenden Momente der Tour 2026 wahrscheinlich sehr spät fallen: „Die Pyrenäen sind anfangs nicht wirklich schwer – die Schwierigkeit steigert sich im Verlauf der Tour, mit drei Bergetappen, die in Orcières-Merlette, auf der Alpe d’Huez und bei der 20. Etappe gipfeln. Es wird spektakulär.“
Das abschließende Alpen-Doppelpack verspricht in jeder Hinsicht brutal zu werden. Auf der 19. Etappe warten die 21 berühmten Haarnadeln erneut, bevor auf der 20. Etappe satte 5.600 Höhenmeter über den Télégraphe, den Galibier und den Croix de Fer zu bewältigen sind – ehe das Peloton die Alpe d’Huez über die bei der Dauphiné zuletzt genutzte Nebenstraße erklimmt. „Wirklich brutal“, kommentierte Frileux. „Der Tag vor Paris – einfach unglaublich.“

Eine Route wie gemacht für Pogacar - und Spannung

Fügt man noch das 26 km lange Zeitfahren am Genfer See hinzu, wird das Muster der Tour 2026 deutlich: wenige Zeitfahrkilometer, viel Kletterspektakel und bewusst so gestaltet, dass die Gesamtwertung bis zum letzten Wochenende offen bleibt.
Hatch bringt es auf den Punkt: „Ehrlich gesagt, gibt es keine Strecke auf der Welt, bei der Tadej Pogacar nicht als Favorit starten würde – auch wenn Remco Evenepoel sich vielleicht mehr Zeitfahrkilometer gewünscht hätte. Vielleicht wird ihn das ja zum Giro locken.“
Mit Jonas Vingegaard und Joao Almeida, die sich ebenfalls perfekt für das Crescendo in den Alpen eignen, könnte die Tour 2026 erneut davon abhängen, wer den Mut hat, am tiefsten in den Bergen anzugreifen. Für die Organisatoren wäre das der größte Erfolg: die Spannung bis in die letzten 48 Stunden aufrechterhalten.
Klatscht 0Besucher 0
loading

Gerade In

Beliebte Nachrichten

Loading