Wenn
Vincenzo Nibali zum Mikrofon greift und
Nairo Quintana einstimmt, ist eines sicher: Dies war kein übliches Siegerpodium. Für ein Wochenende tauschten Radsportlegenden verschiedener Generationen in Barranquilla Funkgeräte und Bergetappen gegen Bühne, Musik und Gelächter – und das unter der warmen Sonne der Karibik.
Der Anlass: der Giro del Rigo, der inzwischen legendäre kolumbianische Gran Fondo von
Rigoberto Urán. Und Fabio Aru ist sicher, dass ihn die Erinnerungen daran noch lange zum Schmunzeln bringen werden.
„Wir hatten so viel Spaß – während der Fahrt und erst recht danach“,
erzählte Aru Bici.Pro. „Nibali und Quintana sind sogar auf die Bühne gestiegen und haben gesungen, andere haben getanzt. Ich habe es auch versucht – aber ich bin ein schrecklicher Tänzer!“
Ein Wiedersehen, das sich wie eine Zeitmaschine anfühlte
Schon die Startliste hätte locker eine Grand Tour vor zehn Jahren füllen können: Urán, Nibali, Aru, Quintana, Bernal, Henao und Agnoli rollten gemeinsam mit Tausenden Amateurfahrern durch Barranquilla. Doch statt Kampf um Sekunden gab es Festivalstimmung – ein Wiedersehen großer Namen, die sich daran erinnerten, was sie schon lange vor Wattzahlen und Weltranglisten verbunden hat.
Aru, persönlich von Urán eingeladen, beschreibt herzliche und chaotische Szenen bereits bei der Ankunft in Kolumbien. „Von dem Moment an, als wir gelandet sind, standen die Menschen mit Fahnen und Handys da und wollten Fotos. Rigo ist dort ein Nationalheld – so berühmt wie ein Rockstar.“
Gemeinsam mit Nibali und Agnoli nahm Aru die 165 Kilometer lange Strecke in Angriff – Seite an Seite mit 8.000 Teilnehmenden aus ganz Südamerika. „Einfach war sie nicht, aber der Punkt war nicht, sich zu quälen, sondern den Tag mit den Fans zu genießen“, sagt er. „Wir hielten für Fotos, wir haben an den Verpflegungsstellen gescherzt – und ich habe sogar die einheimischen papas probiert, wie Pellkartoffeln!“
Rigoberto Uran ist der Mann hinter dem Giro del Rigo
Mehr als ein Rennen
Was Aru dabei am meisten beeindruckte, war weniger das Ausmaß der Veranstaltung als die spürbare Zuneigung, die Rigoberto Urán in seinem Heimatland entgegengebracht wird. Der Kolumbianer, der seine Karriere nach dem Profisport in ein florierendes Netzwerk aus Restaurants, Touren und Radsportevents verwandelt hat, hat etwas geschaffen, das weit über den Sport hinausreicht.
„Rigoberto hat das wirklich verdient“, sagt Aru. „Er ist unglaublich populär – und seine Veranstaltung ist perfekt organisiert. Für den Radsport ist das großartig, weil es zeigt, wie viel Freude und Energie dieser Sport auslösen kann.“
Nach der Fahrt folgte die Party: Ein Festival-Dorf mit Essensständen, Live-Musik und Fans, die bis tief in die Nacht tanzten. Auf der Bühne vorneweg: Nibali und Quintana – als Anführer eines sehr ungewöhnlichen Chors.
"Der Mann mit den tausend Gesichtern"
Für Aru war die Reise zugleich eine Erinnerung daran, wie weit er seit seiner eigenen Profikarriere gekommen ist. In der kolumbianischen Menge entdeckte er sogar einen neuen Spitznamen für sich: El hombre de las mil caras – der Mann mit den tausend Gesichtern.
„Sie sagten mir, es liege an den vielen Grimassen, die ich zog, wenn ich am Limit war“, lacht Aru. „Ich habe ihnen erklärt, dass es nur daran lag, dass ich immer ein bisschen mehr gegeben habe, als ich eigentlich hatte.“
Zwischen Lachen und Nostalgie fiel ihm ein besonderes Detail ins Auge: Das Podium des Giro d’Italia 2014 war wieder vereint – Quintana, Urán und er selbst. Nur diesmal nicht im Wettkampf, sondern im gemeinsamen Feiern.
Ein Wochenende lang trat der Konkurrenzgedanke in den Hintergrund, Kameradschaft rückte in den Mittelpunkt – und die einstigen Stars des Pelotons standen wieder im Rampenlicht. Oder wie Aru es zusammenfasst: „Wir haben kaum über Rennen gesprochen – wir hatten einfach eine fantastische Zeit.“