Primož Roglič klingt 2025 nicht mehr wie der berechnende Perfektionist, der einst jedes Etappenrennen gewinnen konnte, an dem er teilnahm. Mit 35 Jahren ist er zu etwas Seltenem geworden – ein Fahrer, der mit seinen eigenen Widersprüchen im Reinen ist. Nach zehn Jahren WorldTour, vielleicht vor seiner letzten Saison im Peloton, spricht er mit einer Ruhe, die nur jemand hat, der alle Extreme erlebt hat.
„Ich bin immer noch hier, ich fahre immer noch Rad“, sagt er mit einem Lächeln im
Saisonabschlussinterview mit Cycling News. Fünfzehn Jahre Skispringen – fünfzehn Jahre Straßenradsport. Diese Perspektive prägt ihn. „Meine ganze Karriere hatte Höhen und Tiefen, aber ich würde nichts ändern. Nicht einmal die Stürze. Der Radsport ist hart – aber er bringt dir etwas über dich selbst und das Leben bei.“
Dieses Gleichgewicht aus Schmerz und Gelassenheit beschreibt ihn jetzt. Roglič nennt den Sport „unglaublich“ und „schön“, gerade weil er weh tut. Leiden als Lebenshilfe. Seine Saison 2025 spiegelt das: dominanter Sieg bei der Volta a Catalunya – brutaler Giro-Sturz – dann eine reine Willensfahrt bei der
Tour de France. Platz acht, aber innere Zufriedenheit. „Wenn es mir egal wäre, wäre ich auf Bora Bora – nicht bei Red Bull – BORA – hansgrohe“, scherzt er. „Radsport ist immer noch mein Leben. Wenn du morgens glücklich sein kannst, hast du dein erstes Ziel erreicht.“
Die Last teilen – statt allein tragen
2026 wird er die Führung erstmals teilen – mit
Remco Evenepoel. Für Außenstehende eine potenzielle Spannungsquelle. Für Roglič eine Erleichterung. „Remcos Ankunft ist gut. Es bedeutet, dass ich nicht mehr alles allein tragen muss … ich hoffe auf etwas mehr Ruhe und Freiheit.“ Rivalität? Kein Thema. „Wir haben größere Gegner. Warum sollten wir gegeneinander kämpfen?“ Gemeint: Pogacar, Vingegaard. „Es geht darum, wie wir gemeinsam unser Bestes geben können.“
Sein vielzitierter Satz „Wir werden sehen …“, der Rücktrittsgerüchte auslöste, war nie als Andeutung gedacht. „Ich wollte nur nicht über die Zukunft nachdenken. Wir wissen nicht mal, ob wir nächstes Jahr leben. Ich habe einen Vertrag – also fahre ich. Tag für Tag. Und ich bin froh, dass ich immer noch auf dem Rad sitze.“
Ein persönlicher Abschluss mit der Tour
Zum ersten Mal seit Jahren fühlt sich die Tour für ihn „vollständig“ an. „Ich habe die Tour schon fast gewonnen – also gibt mir ein fünfter oder zehnter Platz nicht viel. Aber schöne Momente? Das war genug. Der Zieleinlauf in Paris war schön.“ Er klingt wie jemand, der loslassen kann – ohne den Hunger zu verlieren. „Ich kann jetzt einen Haken an die Tour machen – ohne negatives Gefühl. Solange man etwas mit Freude tut, will man immer gewinnen. Das bleibt.“
Fünfzehn Jahre nach dem Wechsel von der Schanze auf die Serpentinen definiert er sich nicht mehr nur über Resultate. „Alles geschieht aus einem Grund“, sagt er leise. „Also nehme ich alles hin – ob gut oder schlecht.“
Für einen Fahrer, der einst durch totale Kontrolle beschrieben wurde, könnte diese Akzeptanz sein größter Sieg sein.