„Vielleicht habe ich eines Tages den Mangel an Unterstützung gespürt" - João Almeida über die Vuelta a Espana, die Kämpfe mit Vingegaard und Ayusos Abgang

Radsport
Donnerstag, 18 September 2025 um 12:30
JoaoAlmeida
Joao Almeida gehörte bei der Vuelta a Espana 2025 zu den prägenden Figuren. Der Portugiese kämpfte bis zuletzt um den Gesamtsieg und beendete das Rennen auf einem starken zweiten Platz hinter Jonas Vingegaard. Dabei profitierte er zwar von der Unterstützung seines UAE Team Emirates – XRG, vergaß jedoch nicht, dass es auch Tage gab, an denen er sich auf sich selbst verlassen musste.
Seine Leistung wiegt umso schwerer, weil er nur wenige Wochen zuvor bei der Tour de France gestürzt war und in entscheidenden Momenten der Vuelta nicht auf einen dominanten Block an Helfern zählen konnte. Trotzdem bestätigte Almeida seinen Ruf als einer der komplettesten Rundfahrer der Gegenwart. In der UCI-Weltrangliste rangiert er nun auf Platz fünf – direkt hinter Teamkollege Tadej Pogacar, dem Sieger Vingegaard, Mads Pedersen (Lidl-Trek) und Mathieu van der Poel (Alpecin-Deceuninck). Unter den Grand-Tour-Spezialisten liegt er sogar auf dem dritten Platz.

„Ein historischer und besonderer Sieg“ – Almeidas Emotionen auf dem Angliru

Ein Moment ragte in diesem Vuelta-Sommer heraus: Almeidas Triumph am legendären Angliru. Im Interview mit dem portugiesischen Radiosender Observador erinnerte er sich an diese Etappe als „historischen und besonderen Sieg“.
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Der große Moment von João Almeida bei der letzten Vuelta war sein Sieg in Angliru. @Sirotti
„Es war unglaublich. Eigentlich hatte ich nicht das Gefühl, dass wir dort gewinnen könnten. Aber wir haben es geschafft – ein zweiter Platz in der Gesamtwertung und der Ehrgeiz, es beim nächsten Mal besser zu machen. Bis zum letzten Kilometer der 20. Etappe habe ich daran geglaubt. Doch als ich sah, dass Vingegaard vorne lag, musste ich das Handtuch werfen. Ich war angeschlagen, hatte eine Grippe, also nichts zu verlieren. Ich habe alles gegeben, versucht ihn in Schwierigkeiten zu bringen – es hat nicht geklappt.“
Seine Worte spiegeln eine Mischung aus Stolz und ungebrochenem Ehrgeiz wider. Almeida wirkt nicht wie jemand, der mit Platz zwei zufrieden ist, sondern wie ein Fahrer, der weiß, dass er in naher Zukunft eine Grand Tour gewinnen kann.
Ein zentrales Thema war für den 27-Jährigen die Entwicklung seiner Rennintelligenz. „Meine Positionierung hat sich stark verbessert. Früher war das ein großes Problem. Jetzt weiß ich, wann ich Energie sparen muss. Das Geheimnis ist, nicht unnötig Kraft zu verschwenden.“
Almeida spricht offen über seine bekannte Fähigkeit, sich in extremen Momenten „zu strecken“. Gleichzeitig betont er, dass er diese Stärke gezielt einsetzt. „Manchmal bin ich zu weit draußen, um sie zu nutzen. Deshalb hebe ich mir diese Reserven lieber für das Finale auf. Ich versuche, so intelligent wie möglich zu fahren und die berühmten ‚Almeidadas‘ für die entscheidenden Kilometer aufzusparen.“

Kritik am Team – und doch voller Dankbarkeit

Bei der Vuelta fiel auf, dass der Portugiese nicht immer von einer geschlossen auftretenden UAE-Mannschaft profitieren konnte. Er selbst fand dafür klare Worte: „Vielleicht habe ich eines Tages den Mangel an Unterstützung gespürt. Aber insgesamt war die Hilfe großartig. Am Ende einer Grand Tour steht ohnehin jeder für sich allein. Wir waren nicht perfekt, aber wir haben unser Bestes gegeben.“
Diese Mischung aus realistischer Kritik und Loyalität zeichnet Almeida aus. Er bleibt ein Teamspieler, auch wenn er weiß, dass er in entscheidenden Momenten eigene Lösungen finden muss.

Ausreißer, Zeitfahren und die Ayuso-Frage

Im Gespräch ging Almeida auch auf taktische Aspekte und die Zukunft seines Teams ein. Über Etappen für Ausreißer sagte er: „Der Preis für ihre Siege ist noch nicht bezahlt. Manche Tage gehören nicht den Klassementfahrern, sondern den Ausreißern – und sie haben diese Chancen genutzt.“
Zum Zeitfahren äußerte er sich selbstbewusst: „Es war flach, das lag mir. Über 27 Kilometer hätte ich noch mehr Zeit gewonnen. Aber ehrlich: Für den Gesamtsieg hätte es wohl keinen Unterschied gemacht.“
Und dann war da noch die Personalie Juan Ayuso. Dessen Abgang hatte bereits während der Vuelta für Unruhe gesorgt. „Wir wussten schon vorher, dass er gehen würde. Warum das Team es ausgerechnet während des Rennens öffentlich machte, verstehe ich nicht. Er wollte eine Chance – und in einem Team mit Pogacar ist es nicht einfach, alle zufrieden zu stellen. Er ist der Beste aller Zeiten, was er erreicht hat, ist einmalig.“

Die Doppelspitze und das Management abseits der Straße

Zu Beginn der Vuelta hatte UAE auf eine Doppelspitze gesetzt – mit Almeida und Ayuso. Rückblickend sagt der Portugiese: „Die Idee war gut, weil Visma nur einen Kapitän hatte. Doch Ayuso war mental nicht voll dabei, spätestens nach der Andorra-Etappe wurde das klar.“
Almeida sprach auch über die Belastung abseits des Rads: „Das Rote Trikot zu tragen bedeutet, Interviews zu geben, auf Pressekonferenzen zu gehen, zur Siegerehrung zu müssen. Man verliert eineinhalb Stunden pro Tag, die man eigentlich zur Erholung bräuchte. Nach 21 Etappen summiert sich das enorm. Regeneration muss immer Priorität haben.“

„Das große Schaufenster ist da draußen“ – Almeidas Sicht auf die Volta a Portugal

Auf die Frage nach der heimischen Rundfahrt fand Almeida klare Worte. „Früher hatte die Volta mehr Wert und Bedeutung. Heute hat sie viel verloren. Natürlich ist sie ein guter Einstieg für junge Fahrer, aber die großen Chancen liegen draußen, wo das Niveau höher ist und die Belohnung größer.“
Trotzdem hebt er die Bedeutung des Nationalteams hervor: „Die Nationalmannschaft war sehr wichtig für meine Entwicklung.“
Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm auch ein ungewöhnlicher Moment am Ende der Vuelta. Nach dem letzten Tag organisierte das Team Visma ein „improvisiertes Podium“. Almeida erzählt mit einem Lächeln: „Es war ein Parkplatz, die Kühlboxen dienten als Podest. Einfach, bescheiden, nur unter Freunden. Für mich einer der schönsten Momente meiner Karriere.“

Blick nach vorn: „Das Ziel ist eine Grand Tour“

Almeidas Blick ist klar nach vorn gerichtet. „Mein Ziel ist es, eine Grand Tour zu gewinnen. Mit meinen Erfolgen bei einwöchigen Rennen bin ich zufrieden. Aber jetzt geht es ums große Ganze. Ob Giro, Tour oder Vuelta – das wissen wir noch nicht. Wir müssen das mit Tadej abstimmen. Ich würde gerne zum Giro zurückkehren, weil ich eine besondere Beziehung zu diesem Rennen habe. Aber die Tour ist Nummer eins, das spürt man sofort.“
Die Weltmeisterschaft in Ruanda lässt er bewusst aus. „Es war meine Entscheidung. Ich wäre nicht in Form gewesen, hätte anderen nur den Platz weggenommen. Ich habe lieber einem anderen Fahrer die Chance gegeben. Die portugiesische Flagge zu tragen, ist immer ein besonderes Gefühl – nur wer es erlebt hat, versteht das. Für die Europameisterschaft ist ein Top-Ten-Platz ein realistisches Ziel.“
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