Tom Pidcocks dritter Platz bei der
Vuelta a Espana 2025 gilt als Meilenstein in seiner Karriere – gefeiert nicht nur vom 26-Jährigen selbst, sondern auch von seinem langjährigen Trainer Kurt Bogaerts. Der Belgier mahnt jedoch Geduld an. Für ihn ist Pidcocks Entwicklung vergleichbar mit dem langsamen Aufstieg seines ehemaligen Teamkollegen Geraint Thomas, der die Tour de France erst mit 32 Jahren gewann.
Bis zu diesem Sommer tat sich Pidcock schwer mit dreiwöchigen Rundfahrten. Zwar hatte er immer wieder betont, dass der Tour-de-France-Sieg sein größtes Ziel sei, doch zugleich gestand er, dass ihm Grand Tours im Vergleich zur Spontaneität der Klassiker oder des Mountainbikens eintönig erschienen. In Spanien änderte er erstmals seinen Ansatz: Voller Fokus auf die Gesamtwertung – belohnt mit einem historischen Podiumsplatz.
„Die Gesamtwertung war das Hauptziel“
„Bei Grand Tours kann man nicht nur nach Instinkt fahren, und das war für Tom immer entscheidend“, erklärte Bogaerts im Gespräch mit Wielerflits. „Bei dieser Vuelta haben wir von Anfang an die Gesamtwertung ins Zentrum gestellt. Es war das erste Mal, dass die Gesamtwertung das Hauptziel war – und nicht ein Nebenprojekt neben Olympischen Spielen oder einer Mountainbike-WM.“
Dieser Kurswechsel erlaubte es Pidcock, sich mit den besten Kletterern direkt zu messen. „Auf der Etappe nach Bilbao distanzierte er Jonas Vingegaard bergauf“, erinnerte sich Bogaerts. „Das war schon ziemlich einzigartig und ein starkes Signal für die Zukunft.“ Für den Belgier ist das der Beweis, dass Pidcock in den schwersten Rennen des Sports ganz vorne bestehen kann.
Gedämpfter Ehrgeiz
Trotz des Durchbruchs dämpfte Bogaerts die Erwartungen: „Bedeutet das, dass ein Podium jetzt bei jeder Grand Tour Pflicht ist? Auf keinen Fall. Wenn wir nächstes Jahr die Tour de France fahren, wäre es gefährlich, sofort das Podium als Ziel auszurufen. Er braucht Zeit, und wir haben einen Plan. Auch die Konkurrenz entwickelt sich weiter – Tom muss Schritt für Schritt gehen. So wie Geraint Thomas, der die Tour erst mit 32 gewonnen hat.“
Der Vergleich ist bewusst gewählt. Thomas‘ Karriere – von der Bahn über die Klassiker bis zur späten Grand-Tour-Führung – liefert ein geduldiges Vorbild. Pidcock dagegen wurde oft in viele Richtungen gezogen: Mountainbike, Radcross, Monumente und die Tour. Für Bogaerts ist diese Vielseitigkeit zugleich Stärke und Herausforderung. „Wir haben noch kein Monument gewonnen, und das bleibt ein Ziel. Aber man kann nicht alles gleichzeitig anstreben.“
Arbeit an Schwächen
Die Vuelta machte auch deutlich, wo Pidcock noch nachlegen muss. Seine Stärken lagen bisher in Anstrengungen von rund zehn Minuten, doch die langen Anstiege und Zeitfahren einer Grand Tour verlangen eine andere Grundlage. Seit dem Giro hat er laut Bogaerts deutliche Fortschritte bei der Ausdauer gemacht, doch weitere Arbeit sei unverzichtbar: „Tom wird bei Ausreißversuchen nie viel Spielraum haben – wenn er eine Grand Tour gewinnen will, muss er mit den Besten klettern und im Zeitfahren bestehen. Gleichzeitig schöpft er Kraft aus anderen Disziplinen, und das Mountainbiken bleibt ein Teil seines Programms.“
Ein Balanceakt für 2026
Die nächste Saison wird für Pidcock ein Balanceakt. Seine Ambitionen für die Straßen-WM sind klar, doch sie hängen davon ab, wie gut er die Vuelta verkraftet. Gleichzeitig muss sein Team entscheiden, ob er schon wieder als Kapitän in die Tour de France geschickt wird oder ob der Aufbau weiter schrittweise erfolgt.
Für den Moment aber steht Pidcocks Angriff auf Vingegaard in Bilbao und sein Platz auf dem Vuelta-Podium als Beweis: Der Brite beginnt, sich in der Elite der Kletterspezialisten zu etablieren. Ob sein Weg zum Tour-de-France-Ruhm so geduldig verläuft wie der von Thomas – oder schneller – hängt davon ab, wie sorgfältig dieses Puzzle gelöst wird.