„Ohne Jonas Vingegaard wären Grand Tours viel weniger spannend“ – Thijs Zonneveld über den unterschätzten Vuelta-Sieger

Radsport
durch Nic Gayer
Sonntag, 14 September 2025 um 11:00
JonasVingegaard
In einer Ära explosiver Talente und aggressiver Rennstile hat sich Jonas Vingegaard als vielleicht effizientester und taktisch diszipliniertester Grand-Tour-Fahrer seiner Generation etabliert. Trotz zweier Tour-de-France-Siege und seines ersten Triumphs bei der Vuelta a Espana erhält der Däne jedoch nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie sein großer Rivale Tadej Pogacar.
„Die Leute sagen, er sei kein Showman“, erklärte der niederländische Analyst und Ex-Profi Thijs Zonneveld im Podcast In de Waaier. „Aber stellen Sie sich ein Rennen ohne Vingegaard vor. Grand Tours wären viel weniger aufregend.“

Menschliche Stärke statt Übermacht

Zonneveld verteidigt die Rolle des Team Visma - Lease a Bike nach einer Vuelta, die alles andere als geradlinig verlief. Vingegaard gewann zwar drei Etappen und die Gesamtwertung, doch eine totale Dominanz blieb aus. Genau das macht den Reiz aus, so Zonneveld: „Das war kein dominanter Vingegaard. Er war nicht überirdisch - er war menschlich. Und genau das hat ihn so beeindruckend gemacht.“
Vingegaard holte sich am Samstag den Etappensieg
Vingegaard holte sich am Samstag den Etappensieg
Nach der brutalen Tour de France 2025 seien die Fahrer körperlich und mental gezeichnet gewesen. „Jeder, der dort am Start stand, hat einen echten Schlag abbekommen“, sagte Zonneveld. „Die ersten hügeligen Etappen waren Vollgas, jeder Tag ein Zermürbungskrieg. Schon in der ersten Woche gab es Beschwerden, und dann kam der härteste Teil erst noch. Dass Vingegaard danach auch die Vuelta auf diesem Niveau gewann, ist außergewöhnlich.“

Mentale Konstanz unter höchstem Druck

Vingegaards Sieg basierte nicht auf schierer Überlegenheit, sondern auf Ausdauer, Timing und mentaler Stärke. „Er war oft unter Druck. Er fuhr nicht mit dem Gefühl der Unbesiegbarkeit, das er manchmal bei der Tour hat. Umso beeindruckender war seine Konzentration und Beständigkeit“, betonte Zonneveld. „Er konnte einen starken Angriff von Almeida gerade noch abwehren – und genau das macht seinen Erfolg so wertvoll.“
Mit den Erwartungen geht eine enorme psychologische Belastung einher: „Wenn man als einer der besten Etappenfahrer gilt, reicht nur der Sieg. Wenn man das Gefühl hat, nicht in Bestform zu sein, und trotzdem drei Wochen lang mental präsent bleibt, ist das eine große Leistung.“

Der berechnende Rivale

Dass Vingegaards Erfolge weniger Euphorie auslösen als jene Pogacars, liegt auch am Stil. Er fährt weniger explosiv, sondern bedächtig, kalkulierend. „Vingegaard ist kein Showman. Er muss abwägen. Er ist nicht so sprunghaft wie Pogacar, aber gerade diese Verletzlichkeit macht ihn überzeugend. Man sieht, wie er unter Druck Entscheidungen trifft – das hält die Rennen lebendig.“
Wenn er ausreichend vorbereitet ist, erreicht Vingegaard ein erdrückend hohes Niveau. Kommt er jedoch wie bei dieser Vuelta aus einem turbulenten Programm, werden die Abstände knapper. „Gib ihm acht Wochen Vorbereitung und er ist fast unantastbar. Aber selbst müde oder nicht optimal vorbereitet – er gewinnt“, so Zonneveld.

Ein Vermächtnis, das größer ist als Zahlen

Für Zonneveld ist klar: Vingegaards Beständigkeit und taktische Klasse verdienen weit mehr Anerkennung. „Er ist nicht immer spektakulär – aber ohne ihn wären Grand Tours weit weniger interessant. Seine Anwesenheit zwingt andere dazu, besser zu sein. Er hat die taktische Form des modernen Etappenrennens verändert.“
In einer Zeit, in der Show-Effekte oft mehr zählen als Substanz, bleibt Vingegaard das Gegenmodell: kühl, berechnend und stets präsent an der Spitze. Für Zonneveld – und für alle, die den Sport lieben – ist das alles andere als langweilig.
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