"Mein Sprinterherz schmerzt" - Marcel Kittel enttäuscht vom Tour de France-Finale in Montmarte

Radsport
Freitag, 23 Mai 2025 um 13:30
marcelkittel
In einem kühnen Bruch mit der Tradition endet die Tour de France 2025 nicht mit einem gemütlichen Champagnerumzug, sondern mit einem echten Renntag – ein Novum, das die Radsportwelt spaltet.
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wird die 21. Etappe keine feierliche Einfahrt nach Paris sein, sondern ein potenziell entscheidender Showdown. Auf dem Streckenprofil stehen fünf klassifizierte Anstiege, darunter der späte Anstieg zur Butte de Montmartre über die Rue Lepic – weniger als zehn Kilometer vor dem Ziel auf den Champs-Élysées. Der offizielle X-Account der Tour fasst es prägnant zusammen: „Diese letzte Etappe könnte explosiv werden!“
Auslöser dieser Neuerung war die besondere Ausgabe 2024, die wegen der Olympischen Spiele in Paris mit einem Zeitfahren von Monaco nach Nizza endete. Zurück in der Hauptstadt, nutzt Organisator ASO die Gelegenheit, um das 50-jährige Jubiläum des Tour-Finales in Paris mit einem mutigen neuen Etappenkonzept zu feiern – ein Schritt mit weitreichenden Konsequenzen. Für Zuschauer und Fans ist es ein klarer Gewinn. Die altbekannte, meist vorhersehbare Schlussparade weicht einer echten Rennentscheidung. Die letzte Etappe könnte Attacken provozieren, für Dramatik sorgen – und vielleicht sogar noch die Gesamtwertung auf den Kopf stellen. Besonders der Anstieg nach Montmartre bringt taktische Brisanz. Zuletzt spielte er beim Olympiasieg von Remco Evenepoel eine Schlüsselrolle. Wir erinnern uns: Vor Evenepoels Triumph setzten Mathieu van der Poel und Wout van Aert dort eine massive Attacke – ein Moment, der sich ins kollektive Radsportgedächtnis eingebrannt hat.
Kommt es in Paris 2025 zu einer Neuauflage dieses Duells? Klar ist: Diese Tour wird bis zum allerletzten Meter spannend bleiben.
Werden wir im Juli eine Wiederholung dieser Bilder sehen?
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Für die Sprinter ist die Entscheidung ein Schlag ins Gesicht.

Marcel Kittel, einst dominanter Endschnellfahrer mit 14 Etappensiegen bei der Tour de France – darunter zwei auf den Champs-Élysées – findet klare Worte. Gegenüber Cycling Weekly sagt er: „Ich spüre Schmerzen in meinem Sprinterherz... Es wird sehr, sehr schwer sein, das Rennen dort zu kontrollieren, und es wird definitiv viel schwieriger sein, es am letzten Tag in einen Sprint zu zwingen.“
Kittels Warnung ist berechtigt. Der steile, enge und technisch schwierige Anstieg zur Butte Montmartre dürfte das Feld zerreißen, lange bevor es die Prachtstraße der Champs-Élysées erreicht. Teams, die bislang auf einen geordneten Massensprint am Finaltag gebaut haben, sehen sich plötzlich mit einem Terrain konfrontiert, das ihre Stärke neutralisiert. „Wäre ich heute noch Fahrer, wäre ich ziemlich enttäuscht, dass es keinen klassischen Sprintabschluss mehr gibt“, so Kittel weiter.
Doch nicht nur die Sprinter werden nervös. Auch die Klassementfahrer müssen umdenken. Der letzte Tag, traditionell ein Tag der Ehrenrunden und Champagner, wird nun zur taktischen Prüfung. „Mit einem Finale wie diesem gibt es auch für das Gelbe Trikot keine ruhige Minute mehr. Die Tour hat jetzt 21 echte Renntage, nicht 20“, betont Kittel.
Hinzu kommt eine Sicherheitsdebatte. In der Vergangenheit wurden bei nassem Wetter die Schlussrunden auf den Champs-Élysées oft neutralisiert. Mit Montmartre, engen Abfahrten und winkligen Pariser Straßen steigt das Risiko bei schwierigen Wetterbedingungen deutlich. „Früher wurde das Rennen am Schlusstag manchmal entschärft. Aber mit diesem Kurs, diesen Anstiegen und Abfahrten wird es deutlich anspruchsvoller“, warnt Kittel.
Für einige Fahrertypen birgt die Änderung jedoch Chancen. Puncheure und vielseitige Sprinter wie Jasper Philipsen, die kurze Anstiege überstehen können, könnten zu den Gewinnern zählen. „Einige Fahrer werden die Chance ergreifen, das Rennen aktiv zu gestalten und zu attackieren“, so Kittel. „Es wird spannend zu beobachten sein... am Ende wird alles davon abhängen, wie die anderen Teams den Tag angehen.“
Letztlich spiegelt das neue Finale den Wandel des Radsports wider. Die Tour de France entwickelt sich weiter, orientiert sich an den Erwartungen moderner Fans – sie wollen Spannung statt Zeremonie. Auch wenn Puristen trauern und Sprinter enttäuscht sind: Das Potenzial für Drama, Taktik und unvorhersehbare Wendungen ist so hoch wie nie. Die Tour 2025 wird bis zum letzten Kilometer in Paris offen bleiben.
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