Jasper Philipsen hat eine Saison hinter sich, die alle Höhen und Tiefen des Profiradsports vereinte. Der belgische Sprinter startete 2025 mit einem Sieg bei Kuurne–Brüssel–Kuurne, trug im Sommer sowohl das Gelbe Trikot der
Tour de France als auch das Rote Trikot der Vuelta a España – und erlebte dazwischen einen mentalen Tiefpunkt, der ihn fast aus der Bahn warf.
Im Gespräch mit Tutto Bici Web sprach der 27-Jährige offen über die psychischen Folgen seines Sturzes bei der Tour de France, der seine Teilnahme nach nur drei Etappen beendete. „Du bereitest dich monatelang auf die Tour vor, konzentrierst dich ganz darauf, und nach drei Tagen ist alles vorbei“, erinnerte sich Philipsen. „Man liegt dann den Rest des Juli im Bett. Mental ist das sehr hart. Man arbeitet so viel, um dabei zu sein, und plötzlich muss man sich auf etwas anderes konzentrieren, während die Tour noch läuft.“
Freundschaft als Antrieb
Für einen Fahrer, der stark von Rhythmus, Routine und Selbstvertrauen lebt, kam die Verletzung zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Doch nicht das Training, sondern die Menschen um ihn herum halfen ihm, wieder aufzustehen. „Nach dem Sturz konnte ich drei Wochen lang nicht fahren“, erzählte er. „Dann begann ich wieder zu trainieren und fuhr mit
Mathieu van der Poel,
Gianni Vermeersch und den anderen nach Spanien. Wir hatten dort eine großartige Zeit, einfach Spaß, ohne Stress oder Druck. Das hat mir geholfen, meine Motivation wiederzufinden. Wenn ich allein gewesen wäre, wäre es viel schwieriger gewesen.“
Dieser Neustart zeigte Wirkung. Im Spätsommer fand Philipsen seine Form zurück, gewann drei Etappen bei der Vuelta und beendete eine Achterbahnsaison mit einem Lächeln. „Es war nicht mein erfolgreichstes Jahr, was die Anzahl der Siege betrifft“, sagte er, „aber ich bin stolz darauf, dass ich in derselben Saison sowohl das Gelbe Trikot bei der Tour als auch das Rote Trikot bei der Vuelta getragen habe. Das ist etwas Besonderes.“
Freiheit und Verantwortung bei Alpecin-Deceuninck
Philipsen lobt die Kultur seines Teams, das auf Eigenverantwortung setzt. „Wir sind ziemlich frei in der Entscheidung, wie wir trainieren, was schön ist, weil es dir mentalen Freiraum und Zeit mit der Familie gibt“, erklärte er. „Aber das bedeutet auch Verantwortung – du musst selbst dafür sorgen, dass du richtig vorbereitet bist und die nötige Kondition für die Klassiker hast.“
Diese Balance zwischen Freiheit und Pflicht habe ihn als Sportler reifen lassen. „Radsport ist ein Sport der Emotionen – wie jeder andere Sport auch“, so Philipsen. „Es sind Leidenschaft und Emotion, die dich antreiben. Ohne das wirst du deine Ziele nicht erreichen.“
Mit Adrenalin in die Zukunft
Nach einer Saison, die ihn körperlich wie mental an Grenzen führte, blickt der Belgier optimistisch auf 2026. „Ich habe viel über mich gelernt“, sagte Philipsen. „Wenn ich irgendwann mit dem Rennfahren aufhöre, werde ich definitiv etwas brauchen, das mir dasselbe Adrenalin gibt. Ich werde es brauchen.“
Ein Satz, der zeigt: Jasper Philipsen hat nicht nur seine Form, sondern auch seine Freude am Radsport zurückgewonnen – dank Freundschaft, Leidenschaft und der Erkenntnis, dass selbst in einem Hochleistungsteam Platz für Menschlichkeit bleiben muss.