„Man gewinnt mit dem Herzen, nicht mit einem Algorithmus“ – Julien Vermote kämpft um seine Zukunft im Peloton

Radsport
Mittwoch, 29 Oktober 2025 um 12:15
TadejPogacar_RemcoEvenepoel
Julien Vermote steht derzeit ohne Vertrag für die Saison 2026 da – und das, obwohl er auf 15 Jahre Erfahrung auf höchstem Niveau zurückblicken kann. Der Belgier gehört zu jener Generation, die den Wandel des Radsports hautnah miterlebt hat. Heute findet er sich in einem System wieder, das immer stärker auf Daten, Leistungswerte und junge Talente setzt – und weniger auf Erfahrung, Instinkt und Führungsqualitäten.
„Alle Teams suchen den nächsten Pogacar oder Evenepoel“, sagt Vermote gegenüber Het Nieuwsblad. „Aber es gibt keine fünfzig von ihnen, die so herumlaufen. Mein Alter ist für einige Teams ein Hindernis. Alles wird in Watt und Herzfrequenz gemessen. Aber Rennen gewinnt man immer noch mit Köpfchen und Bauchgefühl.“
Der 36-Jährige kennt den Profizirkus wie kaum ein anderer. Er fuhr unter anderem für Quick-Step, Dimension Data, Cofidis, Alpecin-Deceuninck und zuletzt für Visma | Lease a Bike. Eine Vertragsverlängerung beim niederländischen Topteam blieb aus – verständlich, wie Vermote selbst einräumt, angesichts der begrenzten Startplätze und der hohen Leistungsdichte im besten Team der Welt. Trotzdem glaubt er fest daran, auch heute noch einen wichtigen Beitrag leisten zu können.
„Wir fahren keine Rennen auf der Rolle – auch wenn es manchmal so wirkt“, sagt er mit einem Anflug von Ironie. „Man kann das ein paar Jahre mitmachen, aber irgendwann brennt man aus, noch bevor man seinen Höhepunkt erreicht. Einsicht in Rennen, Positionswahl, Ruhe zu bewahren – das lernt man nicht bei TrainingPeaks.“
Doch die Zeit drängt: Viele Teams haben ihre Kader für 2026 bereits geschlossen. Einige Mannschaften stehen zudem vor Fusionen oder Auflösungen, was die Zahl der freien Plätze weiter reduziert. Für erfahrene Straßenkapitäne wie Vermote wird der Spielraum damit immer kleiner.
Trotzdem bleibt der Belgier überzeugt, dass Erfahrung im modernen Radsport weiterhin ihren Platz hat. „Ich kann immer noch einen Mehrwert schaffen. Ich weiß, wann ich jemanden schützen oder wann ich das Tempo rausnehmen muss – das kann man nicht herunterladen. Vernunft und Mut sind im Rennen wichtiger als der Leistungsmesser. Der Mensch ist keine Maschine, und das scheinen viele zu vergessen. Das Rennen ist kein Labor. Man gewinnt mit dem Herzen, nicht mit einem Algorithmus.“
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