Lotte Kopecky blickt auf ein enttäuschendes Jahr 2025 zurück. Zwar feierte die Weltmeisterin einen prestigeträchtigen Sieg bei der Flandern-Rundfahrt, doch gemessen an ihren überragenden Vorjahren blieb sie deutlich hinter den Erwartungen zurück. Nach zahlreichen gesundheitlichen Problemen beendete sie ihre Saison bereits Anfang September nach einem Sturz bei der Tour de l’Ardèche – ihren WM-Titel verteidigte sie gar nicht erst.
Nach dem Abgang von Demi Vollering hatte ihr
Team SD Worx – Protime erwartet, dass Kopecky die entstandene Führungsrolle übernehmen würde. Stattdessen prägte eine andere Teamkollegin das Jahr: Star-Sprinterin Lorena Wiebes sammelte 25 Saisonsiege und zusätzlich das Regenbogentrikot im Gravel-Bereich, während Kopecky nur drei Erfolge verbuchte und deutlich weniger UCI-Punkte einfuhr als gewohnt.
In Belgien blieb die Kritik nicht aus. „Ich glaube nicht, dass Lottes Karriere vorbei ist – jeder hat mal ein schwieriges Jahr“, sagte Ex-Profi und Paris-Roubaix-Sieger Johan Vansummeren gegenüber Het Belang van Limburg. Doch seine nächste Aussage traf hart: „Aber sie könnte professioneller sein. Sie sollte sich einen Trainer nehmen.“ Damit machte er Kopecky selbst für das enttäuschende Jahr verantwortlich.
„Sei mehr wie Pauline“
Vansummeren zog anschließend den Vergleich zu Pauline Ferrand-Prévot. Die Französin war nach fast zehn Jahren Fokus auf Mountainbike erst kürzlich ins Straßenpeloton zurückgekehrt – und dominierte sofort: Sieg bei der Tour de France Femmes, Triumph bei Paris-Roubaix Femmes. Zwei große Ziele – beide erreicht im ersten Anlauf.
Der implizite Appell an Kopecky ist klar: Volle Professionalität, klare Zielsetzung, kompromisslose Vorbereitung – alles, was Ferrand-Prévot vorlebt.
Pauline Ferrand-Prévot hat dieses Jahr im Vergleich zu Kopecky mehr Grund zum Lächeln
„Pauline kehrte ohne Druck zum Straßenradsport zurück. Sie entschied sich bewusst für Visma | Lease a Bike, wo sie ihr Training für Paris-Roubaix und die Tour strukturierte. Sogar bei der Ernährung ist sie einen Schritt weiter gegangen. Lotte fehlt diese Hingabe etwas."
Nicht alle sind so streng mit dem Star. Ein anderer ehemaliger Profi, Jelle Vanendert, ist nachsichtiger und hebt die positiven Momente der Saison von Kopecky hervor. „Trotz Knieproblemen hat sie die Flandern-Rundfahrt gewonnen. Aber das Tour-Podium als ihr Hauptziel war zu ehrgeizig. In Kombination mit Verletzungen und anderen Problemen hat das zu viel Druck erzeugt."
Laut Vanendert spielt auch die Teamstruktur eine Rolle. „SD Worx ist ein exzellentes Team, aber Visma | Lease a Bike ist der Zeit voraus. Sie arbeiten mit den Daten sowohl des Männer- als auch des Frauenteams. Das macht einen großen Unterschied aus."
Lotte Kopecky bleibt eines der größten Talente ihrer Generation, aber diese Saison zeigt, wie schmal der Grat zwischen Ehrgeiz und Überarbeitung ist. Kopecky sollte aus dieser Saison eine Lehre für die kommenden Jahre ziehen, meint Vansummeren: „Jeder macht hin und wieder ein schwieriges Jahr durch. Das Wichtigste ist, dass man daraus lernt."