„Kein Profiteam darf den Namen eines Staates im Titel führen“ - Ehemaliger UCI-Präsident fordert Regeländerung

Radsport
Donnerstag, 18 September 2025 um 10:00
Vuelta-Proteste
Brian Cookson, UCI-Präsident von 2013 bis 2017, warnt eindringlich vor den Folgen wachsender politischer Spannungen für den Radsport. Angesichts der jüngsten Proteste bei der Vuelta a Espana fordert er den Weltverband auf, einen radikalen Schritt zu prüfen: Profiteams sollen künftig keine Nationalstaaten mehr im Namen tragen dürfen.
Der Brite sieht in den Demonstrationen, die zur Absage der Schlussetappe der Spanien-Rundfahrt und zur Neutralisierung zweier weiterer Etappen führten, ein alarmierendes Signal. Besonders die gezielten Aktionen gegen das Team Israel-Premier Tech hätten gezeigt, wie verwundbar der Straßenradsport sei.

„Radrennen sind ein einfaches Ziel“

Cookson erinnert daran, dass politische Proteste seit jeher ein Teil des öffentlichen Lebens seien – und damit auch des Radsports. „Radrennen finden auf offenen Straßen statt. Das macht sie zu einem der einfachsten Ziele für Demonstranten“, sagte er im Gespräch mit road.cc. Neu sei jedoch die Intensität der jüngsten Aktionen, verbunden mit der moralischen Empörung vieler Menschen weltweit.
vuelta palestina imago1066452405
Massenproteste erzwangen die Absage der letzten Etappe der Vuelta a España 2025
Die Vuelta-Proteste seien kein Einzelfall. Bereits die Blockaden von Just Stop Oil bei der WM 2023 in Glasgow hätten gezeigt, dass ein breites Spektrum gesellschaftlicher und politischer Themen die großen Rennen bedrohen könne. „Die öffentliche Meinung wächst oft schneller, als Regierungen bereit sind zu handeln. Das führt zwangsläufig dazu, dass Menschen ihren Unmut auf der Straße äußern“, so Cookson.

Sicherheit allein reicht nicht

Der frühere UCI-Boss betont, dass der Sport selbst keine geopolitischen Konflikte lösen könne. Diese Aufgabe liege bei den Regierungen. Dennoch müsse der Radsport reagieren, um seine Existenz nicht zu gefährden. „Mehr Absperrungen, mehr Sicherheit, strengere Kontrollen – all das ist machbar, wenn auch teuer“, erklärte er.
Gleichzeitig rief Cookson die Fans zu mehr Eigenverantwortung auf. In den vergangenen Jahren sei das Verhalten am Straßenrand mitunter außer Kontrolle geraten. „Unabhängig von politischen Demonstrationen sehen wir immer wieder Szenen, die dem Sport schaden. Jeder, der das Privileg hat, Radrennen live zu verfolgen, sollte darüber nachdenken, was angemessenes Verhalten bedeutet.“

Umstrittener Vorschlag: Keine Nationalstaaten im Teamnamen

Um das Risiko gezielter Proteste gegen Mannschaften zu verringern, brachte Cookson eine weitreichende Regeländerung ins Spiel. „Mein Vorschlag wäre, dass kein Profiteam – abseits von Weltmeisterschaften oder anderen Nationalteams – den Namen eines Staates im Titel führen darf“, sagte er.
Damit wären aktuell nur zwei Mannschaften betroffen: UAE Team Emirates und Bahrain-Victorious. Auch Israel-Premier Tech stünde zur Disposition. „Natürlich müssten diese Teams überzeugt werden, dass es im besten Interesse des Sports liegt, einen anderen Ansatz zu wählen. Ob sie zustimmen würden, weiß ich nicht“, räumte Cookson ein.

Blick auf andere Sportarten

Cookson verweist auf den Fußball, wo Nationalstaaten zwar als Besitzer auftreten, nicht aber im Vereinsnamen erscheinen. „In der Premier League gibt es Klubs, die von Staatsfonds kontrolliert werden. Doch sie laufen nicht unter dem Namen dieser Nationen auf. Das schützt die Wettbewerbe vor einer direkten politischen Vereinnahmung“, erklärte er.
Der Brite betont, dass sein Vorschlag nicht als endgültige Lösung gedacht sei, sondern als pragmatischer Schritt, um den Sport kurzfristig widerstandsfähiger zu machen. „Es ist ein unvollkommener Ansatz, aber vielleicht der einzige, der relativ schnell Wirkung zeigen könnte“, so Cookson.

Der Radsport zwischen Leidenschaft und Politik

Die Vuelta habe in aller Deutlichkeit gezeigt, wie sehr gesellschaftliche Konflikte den Radsport treffen können. Während die einen die Demonstrationen als legitimen Protest begreifen, fürchten andere um die Sicherheit von Fahrern, Offiziellen und Zuschauern.
Cookson will die Debatte darüber nicht länger den politischen Akteuren überlassen. „Am Ende geht es darum, unseren Sport zu schützen. Wir dürfen nicht zulassen, dass er zur dauerhaften Zielscheibe für politische Proteste wird.“
Klatscht 0Besucher 0
loading

Gerade In

Beliebte Nachrichten

Loading