„Junge Fahrer verlieren den Spaß“ – Benoot warnt vor gefährlicher Überlastung im modernen Radsport

Radsport
Dienstag, 04 November 2025 um 18:00
TiesjBenoot
Tiesj Benoot warnt vor einer Entwicklung im modernen Straßenradsport, die seiner Meinung nach immer bedenklichere Formen annimmt. Die zunehmende Leistungs- und Optimierungsfixierung bei jungen Talenten führt nach Ansicht des 31-Jährigen dazu, dass viele Fahrer kurz vor oder sogar zu Beginn ihrer Profikarriere ausbrennen – lange bevor sie ihre sportliche Reife erreicht haben.
Im Thomas-Günter-Podcast sprach Benoot darüber, wie drastisch sich der Weg in die WorldTour seit seinem eigenen Einstieg im Jahr 2015 verändert hat. Während er selbst als Nachwuchsfahrer noch eine relativ unbeschwerte Zeit erlebte und Schritt für Schritt an die Elite herangeführt wurde, sieht er heute eine Generation, die früh unter Druck gerät.
„Es ist ein Trend im Radsport, dass alles in einem sehr jungen Alter sehr ernst wird“, erklärte Benoot. Strikte Trainingspläne, hohe Erwartungen und professionelle Strukturen seien inzwischen schon im Juniorenbereich Standard. Verstärkt werde diese Entwicklung durch den technologischen Fortschritt: „Dank der Leistungsdaten kann man heute alles messen und analysieren – und dadurch weiß jeder zu jedem Zeitpunkt, was von ihm erwartet wird.“

Sozialer Druck und schrumpfendes Leben

Benoot machte auch die sozialen Medien als verstärkenden Faktor aus: Sie suggerierten, dass maximaler Fokus und permanente Kontrolle der einzige Weg zum Erfolg seien. „Junge Fahrer sehen alles, was Profis tun – etwa Fotos von gewogenem Essen. Und ich glaube nicht, dass das ein guter Trend ist“, sagte er.
Seine Sorge ist keineswegs theoretisch. Immer häufiger beobachtet Benoot, dass hochbegabte Nachwuchsfahrer dem Sport den Rücken kehren, bevor ihre Karriere überhaupt richtig begonnen hat. „Man sieht Talente, die mit 21 oder 22 Jahren aufhören“, erklärte er. „Sie haben mit dem Radsport aus Spaß begonnen – und verlieren durch all diese Kleinigkeiten irgendwann komplett die Freude. Manche bekommen psychische Probleme.“
Der frühere Strade-Bianche-Sieger zog auch einen persönlichen Vergleich: Während er selbst als junger Profi in Gent noch mit Freunden ausgegangen sei und ein normales Sozialleben pflegte, beobachtet er heute bei vielen Nachwuchsathleten ein nahezu isoliertes Dasein. „Es ist erschreckend, wie klein der soziale Kreis der jungen Fahrer oft ist“, sagte er. Häufig spiele auch familiärer Druck eine Rolle: „In vielen Fällen versuchen Eltern, ihre eigenen Träume durch ihre Kinder zu verwirklichen.“
TiesjBenoot
Benoot in Aktion

Ein Sport auf der Suche nach dem Gleichgewicht

Benoots Überlegungen fallen in eine Phase, in der die WorldTour einen beispiellosen Aufschwung junger Talente erlebt und die Teams intensiver denn je in ihre Nachwuchssysteme investieren. Seine Botschaft sollte jedoch mit Bedacht interpretiert werden: Professionelle Gewohnheiten sind zweifellos wichtig, doch der langfristige Spaß am Sport und die mentale Gesundheit junger Fahrer sind ebenso entscheidend für nachhaltigen Erfolg.
Während die Talentförderung im Radsport immer schneller voranschreitet, trifft Benoots Mahnung genau den richtigen Zeitpunkt. Sie erinnert daran, dass selbst im Zeitalter marginaler Gewinne und stetiger Optimierung die Menschlichkeit und die Langlebigkeit der Athleten ein zentraler Bestandteil der Erfolgsformel bleiben müssen.
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