Aufstand am Berg: Kontroverse um „Privatisierung“ der Alpe d’Huez 2026

Radsport
Dienstag, 04 November 2025 um 18:30
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Noch bevor das Peloton bei der Tour de France 2026 zweimal die legendäre Alpe d’Huez erklimmt, steht der ikonische Anstieg bereits im Zentrum einer hitzigen Debatte über die Zukunft des Radsports. Jerôme Pineau, ehemaliger Teamchef von B&B Hotels, hat die altbekannte Frage nach der finanziellen Basis des Sports neu entfacht – und greift dabei ausgerechnet das an, was viele als unantastbar betrachten: den freien Zugang zu den Straßen.
Im RMC-Sport-Podcast Grand Plateau brachte Pineau die Idee ins Spiel, den Zuschauerinnen und Zuschauern auf den oberen Kehren der Alpe Eintritt abzuverlangen. Nur so könne der Sport wirtschaftlich Schritt halten, wenn Teams die wachsende Finanzierungskluft überleben sollen.
„Ich werde einige schockieren, aber wir haben eine Etappe, die zweimal über die Alpe d’Huez führt. Also privatisieren wir die letzten fünf Kilometer“, schlägt er provokant vor. „Lasst uns Eintritt verlangen, VIP-Bereiche einführen – wir müssen Wege finden, Geld zu verdienen!“
Pineau versteht seinen Vorschlag nicht als Luxusmaßnahme, sondern als Rettungsanker für privat finanzierte Mannschaften, die gegen staatlich unterstützte Großteams bestehen wollen: „Radsport war historisch ein Volkssport, für alle frei zugänglich. Aber ein freier Sport ohne Fahrer, weil am Ende nur noch Bahrain und UAE übrig bleiben – das macht doch auch keinen Spaß, oder?“

"Wir sind die letzte große Sportart, die frei ist" - Madiot wehrt sich

Der Groupama-FDJ-Teamchef Marc Madiot wies den Vorstoß entschieden zurück und betonte, dass die Offenheit des Sports ein zentraler Bestandteil seiner Identität sei: „Ich bin für den freien Zugang. Wir sind der letzte große Sport, der kostenlos ist – das ist eine unserer größten Stärken. Und wir müssen realistisch bleiben: Unsere Probleme lösen wir nicht, indem wir einfach mehr VIP-Hospitality anbieten.“
Zugleich lenkte Madiot den Blick auf ein strukturelles Thema, das in vielen Finanzierungsdebatten kaum Beachtung findet: die systembedingten Ungleichheiten bei Beschäftigungs- und Steuerregelungen innerhalb Europas. Französische Teams stehen dabei unter deutlich strengeren Vorgaben als manche internationale Konkurrenten. „Warum sollten nicht alle Teams ihren Sitz in der Schweiz haben, damit wir endlich einheitliche Sozialkosten hätten?“, fragte er provokant.
Seine Mahnung zeichnet das Bild eines Sports, der Gefahr läuft, sich von seinen Wurzeln zu lösen: „Abgesehen von den Emiren und staatlichen Geldgebern ist es heute extrem schwer, im Peloton zu überleben. Der Radsport war einmal ein Volkssport – für Arbeiter, für Bauern. Jetzt droht er zu einem Sport der Reichen zu werden.“
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Groupama - FDJ-Chef Marc Madiot ist eine der erfahrensten Persönlichkeiten im Profi-Radsport

Eine Winterdebatte mit realen Einsätzen

In jeder Nebensaison wird über Strukturreformen diskutiert – doch der Austausch zwischen Pineau und Madiot zeigt, dass sich die Fronten eher verhärten. Während staatlich finanzierte Superteams die WorldTour zunehmend dominieren und private Sponsoren seltener werden, bleibt die entscheidende Frage des Sports ungelöst:
Kann der Radsport sein Erbe des freien Zugangs bewahren und zugleich ein tragfähiges Finanzmodell für die Zukunft entwickeln?
Fest steht: Diese Debatte wird so schnell nicht verstummen. Und Alpe d’Huez ist plötzlich mehr als nur ein mythischer Prüfberg – er wird zum Symbol für einen grundlegenden Konflikt zwischen Tradition, Ökonomie und der Seele des Sports.
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