"Jan Ullrich ist ein Beispiel für die Gefahren des Hochleistungssports" - Investigativer Journalist reagiert auf das lang erwartete Dopinggeständnis des ehemaligen Tour de France Siegers

Radsport
Samstag, 25 November 2023 um 14:00
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Anfang dieser Woche hat Jan Ullrich zum ersten Mal zugegeben, dass er in seiner Blütezeit gedopt hat. Obwohl viele dies bereits vermutet hatten, ist das Geständnis für den Enthüllungsjournalisten Hajo Seppelt eher eine Warnung als ein Triumph für die Radsportwelt.
"Was die öffentliche Wirkung angeht, würde ich das nicht überbewerten, denn letztlich wusste das ja jeder", analysiert Seppelt im Gespräch mit Eurosport. "Aber für ihn persönlich ist es meiner Meinung nach wichtig, dass der Satz einmal gesagt wurde: damit er nicht ständig gefragt wird, warum er ihn nicht sagt."
Ullrich war einer der größten Radrennfahrer seiner Zeit, und an der Seite seines großen Rivalen und späteren großen Freundes Lance Armstrong lieferten sich die beiden viele denkwürdige Kämpfe. Da beide nun jedoch Doping zugegeben haben, ist das Erbe ihrer historischen Rivalität zweifellos getrübt, obwohl sie uns einige der unterhaltsamsten Rennen aller Zeiten beschert hat.
"Jan Ullrich ist ein Beispiel für die Gefahren des Hochleistungssports und dafür, dass man dort oft schlecht beraten und allein gelassen wird", sagt Seppelt. "Ich glaube, dass er sehr schlechte Berater hatte, die aus meiner Sicht intellektuell nicht geeignet waren, ihn auf den richtigen Weg zu bringen, die selbst ein Interesse daran hatten, dass Dinge nicht geklärt werden, die viel Geld an ihm verdient haben und zudem einfach nur völlig überfordert gewesen sein können. Ich kann persönlich verstehen, dass man sich verirren kann, wie Ullrich es getan hat. Er lebte damals in einer anderen Welt."
Die große Frage ist jedoch, ob Doping im heutigen Peloton noch weit verbreitet ist oder nicht. Seppelt glaubt nicht daran. "Ich glaube tatsächlich, dass Doping im Radsport nicht mehr so systemisch und systematisch ist wie vor 20 oder 30 Jahren. In dieser Hinsicht hat es schon reinigende Gewitter gegeben", stellt er klar.
"Ich bezweifle aber sehr, dass sich die Mentalität im Sport geändert hat. Vielmehr ist es die Angst vor Entdeckung, vor gesellschaftlicher Ächtung, vor dem Ruin - gerade in Deutschland, wo so etwas besonders streng verfolgt wird", so Seppelt abschließend. "Doping wird erst dann geschäftsschädigend, wenn es öffentlich wird. Ansonsten profitieren alle, weil die Leistung steigt. Die Kollateralschäden wie gesundheitliche Risiken und in Einzelfällen auch der Tod werden verdrängt oder sogar in Kauf genommen."