Die Weltmeisterschaft 2025 in Kigali markiert einen historischen Moment für den Radsport: Zum ersten Mal findet das Straßenrennen der Männer-Elite auf afrikanischem Boden statt. Für Egan Bernal bedeutet dieser Schauplatz mehr als nur ein weiteres Rennen. Der Tour-de-France-Sieger von 2019 will erstmals bei einer WM starten – und er glaubt, dass sowohl die Höhe als auch die besondere Atmosphäre in Ruanda ihm in die Karten spielen.
„Dies sind die ersten Weltmeisterschaften in Afrika, daher haben sie etwas Besonderes“, erklärte Bernal im Gespräch mit FloBikes während der Vuelta a España. „Ich freue mich wirklich darauf, meine erste Weltmeisterschaft zu erleben. Vor vielen Jahren hatten wir eine in Kolumbien, und man kann sich nur vorstellen, welchen Effekt dieses Ereignis in Ruanda auf zukünftige Radfahrer haben wird.“
Die Höhenkarte ausspielen
Bernal weiß aus eigener Erfahrung, wie ein Großereignis den Radsport eines Landes beflügeln kann. Die WM 1995 in Duitama gilt bis heute als Wendepunkt für Kolumbien – ähnliches Potenzial sieht er nun in Ruanda. „Es wird überaus wichtig für zukünftige Radfahrer in Ruanda und in ganz Afrika sein. Ich hoffe nur, dass ich mehr Fahrer aus diesem Land im Peloton sehen werde.“
Die Strecke in Kigali gilt als extrem anspruchsvoll, mit wiederholten Anstiegen und einem Höhenprofil auf rund 1.500 Metern über dem Meeresspiegel. Für Bernal, der in Zipaquira auf 2.600 Metern aufwuchs, könnte dies zum Vorteil werden. „Da das Rennen auf Höhe stattfinden wird, fühle ich mich gut und konzentriere mich wirklich darauf“, sagte er. „Ich denke, ich kann gut abschneiden. Es wird auch viel geklettert, also hoffe ich, dass ich mit der Höhe etwas Gutes erreichen kann.“
Wie stark sich die dünne Luft tatsächlich auf Fahrer auswirken wird, die das Training am Meer gewohnt sind, ließ Bernal offen: „Es ist schwierig, das jetzt zu sagen – es ist alles Spekulation. Wir werden sehen, ob diese Höhe reicht, um einen Unterschied zu machen.“
Das Pogacar-Problem
An Tadej Pogacar führt auch in Kigali kein Weg vorbei. Der Slowene reist nach seinem vierten Tour-de-France-Sieg als klarer Favorit an. Doch selbst er zeigte 2025 Verwundbarkeit: Im WM-Zeitfahren brach er ein und wurde von Remco Evenepoel überholt – ein seltener Makel, der den Rivalen Hoffnung gibt.
„Natürlich ist er der Favorit, die Nummer eins“, räumte Bernal ein. „Aber ich muss mich auf mein eigenes Rennen konzentrieren und mein Bestes geben. Es geht nicht darum, nur an Platz zwei oder drei zu denken. Es gibt viele Fahrer, die ein gutes Rennen fahren können.“
Kolumbische Einheit
In Kigali wird Bernal nicht allein antreten. Mit Harold Tejada und Brandon Rivera erhält er Unterstützung von zwei langjährigen Wegbegleitern. „Wir werden Harold haben, einen super guten Fahrer, und auch Brandon“, sagte er. „Es wird ein lustiges Team sein. Wir werden es sicherlich genießen, aber wir wollen auch wirklich dorthin gehen, um etwas Großes zu erreichen – nicht nur teilnehmen.“
Für Bernal, dessen Karriere nach seinem schweren Unfall 2022 beinahe beendet gewesen wäre, ist allein die Chance, um das Regenbogentrikot zu kämpfen, ein bedeutender Schritt. Doch er fährt nicht aus Nostalgie nach Ruanda. Mit schweren Anstiegen, intensiven Runden und der Möglichkeit, auf einem neuen Kontinent Geschichte zu schreiben, formuliert er klare Ambitionen: „Ich denke nicht an den 2. oder 3. Platz. Ich möchte sehen, was ich selbst bewerkstelligen kann.“