„Hat er seit der Vuelta überhaupt noch trainiert?“ – Dänischer Journalist rät Jonas Vingegaard, sich auf Grand Tours zu konzentrieren

Radsport
Dienstag, 07 Oktober 2025 um 8:00
Jonas Vingegaard
Was als neue Talentprobe für den zweifachen Tour-de-France-Sieger Jonas Vingegaard gedacht war, endete bei den Europameisterschaften 2025 in Frankreich in einer herben Enttäuschung. Der Däne, der mit klaren Medaillenambitionen an den Start gegangen war, musste seine Hoffnungen bereits nach der Hälfte des Rennens begraben. Gegen das hohe Tempo der Favoriten hatte er schlicht nichts entgegenzusetzen.
Sowohl Fans als auch Medien in seiner Heimat reagierten fassungslos. Eurosport-Reporter Anders Mielke, der das Rennen vor Ort verfolgte, fand klare Worte: „Ich war schockiert. Wir haben uns, bei allem Respekt, gefragt, ob Jonas seit der Vuelta überhaupt trainiert hat.“ Schon früh im Rennen wirkte Vingegaard angeschlagen. Laut Mielke vertraute er seinem Teamkollegen Mattias Skjelmose an, dass er sich nicht gut fühlte. „Skjelmose versuchte, ihn aufzubauen, sagte ihm, dass es normal sei, sich zu Beginn eines Klassikers schlecht zu fühlen. Aber es half nichts“, so Mielke weiter.
Nach einer Tempoverschärfung durch das belgische Duo Steff Cras und Junior Lecerf verlor Vingegaard den Anschluss – und das bereits zu einer Gruppe, die nicht einmal zu den Topfavoriten zählte. Ein ungewohntes Bild für einen Fahrer, der in den vergangenen Jahren Maßstäbe gesetzt hat.

Der Fluch der Klassiker

Während Vingegaard bei den großen Rundfahrten brilliert – mit zwei Gesamtsiegen bei der Tour de France und einem bei der Vuelta – bleibt der Erfolg bei Eintagesrennen aus. Dabei hatte man in Dänemark vorsichtig auf eine Überraschung gehofft. Im Training zuvor soll der 28-Jährige in überragender Form gewesen sein. „Von der Nationalmannschaft hieß es, Jonas sei in der Vorbereitung geflogen. Er war explosiver als je zuvor“, erklärte Mielke. Doch im Wettkampf verpuffte dieser Eindruck völlig.
Für den Journalisten liegt die Ursache nicht nur im Körperlichen. Er glaubt, dass Vingegaards Charakter besser zu Etappenrennen passt. „Jonas ist kein Risiko-Typ. Er braucht Struktur, einen klaren Plan und Sportdirektoren, die ihn vom Auto aus führen. Bei Europa- oder Weltmeisterschaften gibt es das nicht“, analysierte Mielke.

Fokus auf das große Ganze

Die Klassiker scheinen ohnehin nicht Teil von Vingegaards Zukunftsplanung zu sein. Laut Mielke wird der Däne im kommenden Jahr auf die Ardennen verzichten – zugunsten eines ehrgeizigen Giro-Tour-Doppels. Und selbst das könnte nur der Anfang sein. „Warum nicht auch noch die Vuelta?“, fragt Mielke rhetorisch.
Die Idee stammt nicht von ungefähr: Vingegaards Frau Trine äußerte kürzlich in einem Interview den Wunsch, ihren Mann eines Tages alle drei Grand Tours in einer Saison fahren zu sehen. „Wenn er den Giro gewinnt und bei der Tour auf dem Podium steht, würde ihm nur noch ein Vuelta-Podium fehlen, um Geschichte zu schreiben“, so Mielke. Das Kunststück gelang zuletzt beinahe Raphaël Géminiani im Jahr 1955, der damals Dritter bei der Vuelta, Vierter beim Giro und Sechster bei der Tour wurde.

Kein Scheitern – sondern ein Fingerzeig

Vingegaards frühes Ausscheiden bei der EM ist daher weniger ein Misserfolg als eine Erkenntnis: Sein Herz schlägt für die großen Rundfahrten. „Es ist besser, dass er das tut, was er liebt, als sich bei Klassikern beweisen zu wollen“, resümierte Mielke.
Für Jonas Vingegaard war der Tag in Ardèche kein Rückschlag – sondern ein Hinweis darauf, wo seine wahre Stärke liegt: im monatelangen Kampf um Sekunden, nicht im riskanten Schlagabtausch auf einem einzigen Tag.
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