„Die harte Wahrheit ist: Gegen Pogacar kannst du nichts tun“ – Jan Bakelants über die Ein-Mann-Show bei der EM

Radsport
durch Nic Gayer
Montag, 06 Oktober 2025 um 14:45
Tadej Pogacar
Ein weiteres Meisterwerk, eine weitere Machtdemonstration: Tadej Pogacar setzte bei der Straßenrad-EM in Frankreich ein weiteres Ausrufezeichen. Mit einem beeindruckenden Solo über 75 Kilometer distanzierte der Slowene den Belgier Remco Evenepoel einmal mehr deutlich und entfachte damit erneut die Diskussion, ob ihn im aktuellen Peloton überhaupt noch jemand schlagen kann. Für Ex-Profi Jan Bakelants fällt die Antwort zunehmend ernüchternd aus.
In seiner Kolumne für Het Laatste Nieuws beschrieb Bakelants Pogacars Dominanz als gleichermaßen bewundernswert und gefährlich für die Spannung des Sports. „Es ist im Moment nicht der aufregendste Sport“, gab er zu. „Ich weiß nicht, ob das unbedingt schlecht ist, aber ich verstehe die Leute, die die Nervenkitzel vermissen.“

„Wenn Pogacar fährt, ist das Rennen fast vorbei“

Die EM-Strecke mit ihren mehrfachen Anstiegen der brutalen Côte de Saint-Romain-de-Lerps hätte eigentlich ein taktisches Kräftemessen werden sollen. Doch stattdessen wurde sie zur Bühne für eine Ein-Mann-Show. Pogacar attackierte am dritten Anstieg 75 Kilometer vor dem Ziel, ließ Evenepoel scheinbar mühelos stehen und baute seinen Vorsprung trotz eines beherzten Solo-Versuchs des Belgiers stetig aus. Dahinter kämpften Juan Ayuso, Paul Seixas und Christian Scaroni um die verbleibenden Medaillen – Gold war längst vergeben.
Bakelants sparte in seiner Analyse nicht mit Kritik an der belgischen Taktik. „Sie haben ihn früh attackiert, aber das war naiv“, sagte er. „Wenn du das Rennen hart machst, ermüdest du dich nur selbst und spielst Pogacar in die Karten. Die harte Wahrheit ist: Gegen Pogacar kannst du nichts tun.“
Selbst ohne Teamunterstützung blieb Pogacar völlig unbeeindruckt – Matej Mohoric war schon lange vor den finalen Anstiegen zurückgefallen. Der Slowene kontrollierte die Angriffe, dosierte seine Kräfte und fuhr schließlich einfach davon. Für Bakelants zeigt diese Leichtigkeit die aktuelle Schieflage im Männer-Radsport. „Wenn Pogacar fährt, gibt es kaum noch Taktik. Er merkte, dass er gleich allein war – also ging er. Rennen vorbei.“
Auch Evenepoel, erneut Zweiter nach einem tapferen, aber vergeblichen Kampf, kam nicht ungeschoren davon. „Er saß an Pogacars Hinterrad und wurde abgehängt – so einfach ist das“, meinte Bakelants. „Er kann stolz sein, dass er dann noch drei Minuten Vorsprung auf den Rest herausfuhr. Aber er muss aufhören, alles schwarz-weiß zu sehen: Sieg ist gut, kein Sieg ist schlecht. Wenn du zwei Jahre lang immer wieder auf denselben Fahrer triffst, musst du akzeptieren, dass er im Moment einfach besser ist.“

„Wer soll die Lombardei gewinnen, wenn nicht Pogacar?“

Mit Blick auf das Saisonfinale bei Il Lombardia sieht Bakelants wenig Hoffnung auf Veränderung. „Wer soll Lombardei gewinnen, wenn nicht Pogacar?“, fragte er rhetorisch. „Evenepoel und die anderen haben derzeit keine Chance.“
Der Belgier räumte ein, dass eine solche Dominanz zwar historisch beeindruckend sei, aber das Risiko berge, den Radsport vorhersehbar zu machen. „Es ist wie beim Cyclocross mit Mathieu van der Poel – immer dieselbe Geschichte“, sagte er.
Ganz ohne Optimismus bleibt Bakelants jedoch nicht. Die nächste Generation, darunter der 19-jährige Paul Seixas, der in Frankreich Bronze holte, und UAE-Fahrer Isaac del Toro, könne langfristig neuen Schwung bringen. „Es ist zu früh, um zu sagen, ob sie jemals Pogacars Niveau erreichen“, so Bakelants. „Aber genau diese jungen Fahrer sorgen wieder für Spannung. Erst wenn alle Puzzleteile zusammenfallen, werden wir wieder echte Duelle sehen.“
Bis dahin bleibt der Radsport fest in der Hand von Pogacar – grandios anzuschauen, aber, wie Bakelants feststellt, vielleicht ein wenig zu berechenbar für sein eigenes Wohl.
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