Die Auftaktetappe der Tour de France 2025 hatte es in sich – ein dramatischer Start am Samstagnachmittag. Für Geraint Thomas, den ältesten Fahrer im Peloton und auf Abschiedstour bei seiner letzten Grand Tour, war es ein rauer Beginn seines großen Finales.
„Ich hab auf Social Media ein paar kuriose Dinge gelesen – Leute schreiben, ich war der Jüngste bei meiner ersten Tour und jetzt der Älteste bei meiner letzten. Schließt sich irgendwie der Kreis, oder?“, erzählt Thomas in seinem Podcast nach der chaotischen ersten Etappe. „Es wird viel gefragt, ob ich emotional werde oder die Tour genießen will. Klar will man das – aber Tage wie heute genießt man nicht währenddessen. Die genießt man erst, wenn man sie überlebt hat. Ich bin sicher, es kommen noch schönere Etappen, aber das hier war eine typische Tour-Etappe.“
„Jeder wollte vorne fahren. Wir sind gut gestartet, waren vorn dabei, größtenteils zusammen. Du kannst als Team nicht den ganzen Tag geschlossen fahren, das geht einfach nicht – aber wir waren ordentlich unterwegs. Und dann kam etwa zur Hälfte der Etappe der Sturz“, fährt Thomas fort, und spricht damit den Crash an, bei dem Teamkollege Filippo Ganna aufgeben musste. „Ich war direkt dahinter. Es war in einer Rechtskurve, eigentlich nicht mal eine richtige Kurve. Eher einer dieser typischen Momente, wo es einfach zu eng wird.“
„Ich hab ihn auf dem Boden gesehen, er saß aufrecht und verzog das Gesicht, aber ich dachte, es sei halb so wild – wir waren nicht besonders schnell unterwegs“, berichtet Thomas weiter. „Aber dann hat er ewig gebraucht, um wieder zur Gruppe aufzuschließen, das war seltsam. Dann kam die Info über Funk: Der Rennarzt hat ihn wegen Verdacht auf Gehirnerschütterung gestoppt.“
„Das war natürlich die richtige Entscheidung, und er ist jetzt zur Kontrolle im Krankenhaus. Aber es ist einfach bitter. Er war einer unserer Leader. Carlos Rodríguez ist unser Mann fürs Gesamtklassement, aber Ganna war unser Hoffnungsträger für Etappensiege – vor allem in den Zeitfahren und Ausreißergruppen. Ein herber Rückschlag. So ein Kraftpaket, und wir verlieren ihn gleich am ersten Tag.“
„Aus der Tour rauszufliegen ist immer hart, aber am ersten Tag tut es besonders weh“, sagt Thomas. Dennoch sieht er einen positiven Ausblick für seinen Teamkollegen: „All die harte Arbeit ist ja nicht umsonst – das steckt alles noch in den Beinen. Die Vuelta startet in Italien, ich bin sicher, das ist jetzt sein großes Ziel. Ich hab ihn später im Bus gesehen. Er wirkte okay, nur enttäuscht. Aber so ist Radsport. Zähne zusammenbeißen und weitermachen – genau das sagen wir auch unseren Kindern, wenn sie jammern.“
Auch wenn Geraint Thomas selbst nicht stürzte, wurde er im Finale der ersten Etappe hinter einer entscheidenden Lücke aufgehalten – und verlor 39 Sekunden auf Fahrer wie Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard. „Ja, das nervt. Ich wusste, dass sich das Feld teilen würde. Als es passierte, war ich vielleicht sieben, acht Fahrer zu weit hinten. Ich dachte noch beim Einfahren in die Kurve: ‚Ich sollte vorfahren, aber das kostet Körner.‘ Vor mir waren drei Trek-Fahrer, einer davon Milan, ihr Sprinter – also dachte ich, die haben das im Griff. Quick-Step und Remco waren hinter mir, Roglic auch irgendwo in der Nähe. Ich bin einfach sitzen geblieben. Zu bequem, ehrlich gesagt.“
„Ich dachte, die fahren das Loch schon zu, aber dann zögerten sie. Keine Reaktion. Ich dachte nur: ‚Jungs… macht ihr das jetzt zu oder was?‘“, erinnert sich Thomas mit einem bitteren Lächeln. „Dann war die Lücke da. Die nächsten 15 Kilometer hab ich mich nur geärgert. Du weißt, dass es passiert – und machst den Fehler trotzdem. Ich fahre ja gar nicht aufs Gesamtklassement, aber es ärgert mich trotzdem.“
Obwohl Thomas im Vorfeld erklärt hatte, in diesem Jahr nicht auf das Gelbe Trikot zu fahren, zählte der Tour-Sieger von 2018 zu Beginn der Etappe noch zu den prominentesten Namen im Feld. „Ich hab vor etwa 45 Minuten noch mit Jonas (Vingegaard) gesprochen. Er hat gescherzt: ‚Fehlt’s dir? Schön wieder hier zu sein?‘ Und ich nur: ‚Kumpel, ich hätte letztes Jahr aufhören sollen – das ist einfach zu stressig.‘ War ein lustiger Moment“, schmunzelt Thomas. „Wir hatten uns eigentlich vorgenommen, nicht im klassischen Zug mit den anderen Teams aufzufahren, wollten das Ganze etwas anders angehen. Aber es war so chaotisch, dass wir uns dann doch bei den ‚großen Jungs‘ eingereiht haben, um Carlos (Rodríguez) die Position zu sichern. Vorn fahren alle Anschlag, und hinten plaudere ich mit Jonas ein bisschen. Und jeder sagt das Gleiche: ‚Völlig verrückt hier, oder?‘ Aber trotzdem machen wir’s alle mit.“