„Wie zum Teufel verpasst man eine Gruppe von 40 Fahrern?“ – Armstrong, Wiggins und Hincapie rätseln über das Chaos der 1. Etappe der Tour de France

Radsport
Montag, 07 Juli 2025 um 12:11
lance-armstrong-pogacar
Die 1. Etappe der Tour de France 2025 bot genau das, was Lance Armstrong als „perfekten Start“ für die beiden großen Favoriten bezeichnete – und einen frühen Rückschlag für einige andere. Während es im Gesamtklassement bereits erste Verschiebungen gab, fuhr Alpecin-Deceuninck einen mustergültigen Sprintzug, bei dem Mathieu van der Poel und Kaden Groves den Weg für Jasper Philipsen ebneten. Der Belgier gewann souverän und sicherte sich gleich zum Auftakt das Gelbe Trikot.
Im Podcast The Move nahmen Lance Armstrong, Sir Bradley Wiggins und George Hincapie das Geschehen unter die Lupe – inklusive der Gewinner, der Überraschungen und des Schadens, den das Rennen in der ersten Etappe bereits angerichtet hat. Die drei hatten im Vorfeld eine brutale erste Woche prognostiziert – und wurden bestätigt.
„Wenn du Tadej Pogacar oder Jonas Vingegaard bist und jetzt im Teambus sitzt, denkst du dir: ‚Ja, das war ein echter Erfolg.‘ Für sie war das der perfekte Start – und sie liegen damit absolut richtig“, so Armstrong.
Für Fahrer wie Remco Evenepoel und Primoz Roglic begann die Tour dagegen mit einem herben Dämpfer. Beide verpassten die entscheidende Windkante und verloren 49 Sekunden im Gesamtklassement – ein Szenario, das das Move-Team bereits am Vortag detailliert vorhergesagt hatte.
„Genau darüber haben wir gestern gesprochen“, sagte Lance Armstrong. „Du kannst doch nicht eine Gruppe mit 40 Fahrern verpassen.“
Auch George Hincapie zeigte sich fassungslos über die frühe Zersplitterung des Feldes – und darüber, wie unvorbereitet manche Teams wirkten.
„Ich kann mir vorstellen, wie Johan Bruyneel jetzt im Bus rumschreit: ‚Wie zum Teufel verpasst ihr eine Gruppe mit 40 Fahrern?‘“ „Jeder wusste, dass Wind kommt. Das war keine Überraschung. Natürlich zerreißt es das Feld“, so Hincapie weiter.
„Es lief doch genau so, wie wir es erwartet hatten – diese erste Etappe. Aber gleichzeitig muss man sagen: Die Zahl der ‚Opfer‘ hält sich in Grenzen … Wenn das ein Vorgeschmack auf die kommenden Tage ist, dann steht uns ein großartiges Rennen bevor“, meinte Armstrong.
Team Visma | Lease a Bike und UAE Team Emirates – XRG kontrollierten die Spitze souverän – mit jeweils vier bis fünf Fahrern vorn im Wind. Trotz des frühen Chaos' mit Stürzen, Defekten und Seitenwind waren Pogacar und Vingegaard immer genau dort, wo sie sein mussten.
„Das war ein absolut gelungener Tag für sie“, analysierte Hincapie. „Wenn du in die erste Etappe der Tour de France gehst und sich das Feld auf 35 Mann reduziert, denkst du dir: Gott sei Dank muss ich mich heute nicht auch noch vor Stürzen fürchten.“
„Visma hatte vier oder fünf Fahrer vorne dabei – extrem stark vertreten. Für sie ist das ein echter Erfolg“, führte Armstrong weiter aus.
Die große Überraschung kam jedoch vom skandinavischen Herausforderer-Team Uno-X, das gleich vier Fahrer in der Spitzengruppe platzierte – und sich obendrein noch einen Platz auf dem Etappenpodium sicherte.
„Für ein so junges Team ist das beeindruckend“, lobte Armstrong. „So die Tour de France zu eröffnen – und dann auch noch Platz drei zu holen, das ist mal ein Statement.“
Der Podestplatz gehörte Jasper Philipsen, der sich damit seinen zehnten Etappensieg innerhalb von vier Jahren sicherte – und zum ersten Mal das Gelbe Trikot überstreifen durfte.
„Unglaublich. Auf allen Ebenen einfach unglaublich“, staunte Lance Armstrong. „Dieser Kerl hat gerade seinen zehnten Etappensieg in vier Jahren geholt – und zum ersten Mal das Gelbe Trikot.“
Bradley Wiggins zollte dem perfekt abgestimmten Sprintzug Respekt: „So gewinnt man einen Sprint“, stellte er klar. „Wenn man einen Motor wie Mathieu van der Poel hat, der den Sprint lanciert, und dann noch einen Caden Groves, der in Grand Tours schon unzählige Etappen gewonnen hat – das ist einfach Weltklasse.“
Im Kontrast dazu stand das Auftreten von Soudal – Quick-Step, das bei Armstrongs Analyse nicht gut wegkam – insbesondere in Bezug auf die fehlende Teamunterstützung für Remco Evenepoel.
„Für mich wirkt das Team völlig führungslos“, kritisierte Armstrong. „Wenn Johan Bruyneel da das Kommando hätte… dann wäre gerade das komplette Taktik-Whiteboard gelöscht worden.“
Auch die fehlende Reaktion anderer Favoriten konnte er nicht nachvollziehen: „Roglic hat eigentlich ein richtig starkes Team. Und er selbst ist sehr gut bei Seitenwind. Ich verstehe einfach nicht, wie die das verpassen konnten.“
George Hincapie wollte jedoch niemanden vorschnell abschreiben: „Ich meine, Remco kann jede Selektion mitgehen, die es gibt… Er wird das Zeitfahren wahrscheinlich gewinnen – und dann kann er das Gelbe Trikot immer noch übernehmen.“
Und auch für Roglic sei das Rennen noch lange nicht gelaufen, so der gemeinsame Tenor der Expertenrunde.
„Er war in anderen Grand Tours schon öfter im Rückstand und hat sich immer wieder zurückgekämpft“, sagte George Hincapie. „Er hat jetzt zwar den Monster-Fahrer Pogacar mit 40 Sekunden Vorsprung vor sich und auch Jonas Vingegaard – das ist sicher keine ideale Ausgangslage, aber ich bin ein großer Fan von ihm.“
Bradley Wiggins vermutete, dass Roglič vielleicht zurückhaltend fuhr, „Er ist in den letzten drei Jahren mehrfach bei Stürzen in der Tour gestürzt, glaube ich. Denkst du, das hat ihm heute vielleicht etwas im Kopf gesessen?“
Auch die mentale Belastung im Peloton wurde thematisiert – vor allem für jene, die früh in Rückstand geraten sind: „Du sitzt da mental total angespannt und denkst dir: ‚Ich kann mir gar nicht vorstellen, in so einer Lage zu sein. Ich würde im Bus sitzen und sagen: ‚Oh nein, habe ich gerade das Rennen verloren?‘“, so Armstrong.
Die klare Botschaft der The Move-Analysten lautete: Die Tour de France gewinnt man nicht in der ersten Woche, aber man kann sie dort definitiv verlieren – oder zumindest seine Chancen deutlich verschlechtern.
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