„Es geht nur um Stolz“ – Ex-Teamchef erklärt, warum Fusionen im Radsport scheitern

Radsport
Donnerstag, 06 November 2025 um 8:00
lotto
Das Ende des dreijährigen UCI-Ranglistenzyklus bringt zahlreiche Veränderungen in der Struktur des Spitzenradsports mit sich. Eine der bedeutendsten: Die beiden belgischen Traditionsmannschaften Lotto und Intermarché-Wanty schließen sich zu einem Team zusammen, das künftig neben einer U23-Auswahl eine gemeinsame WorldTour-Mannschaft stellen wird. Fusionsgerüchte kursieren im modernen Radsport zwar immer häufiger – man denke beispielsweise an die Spekulationen um Quick-Step und Bora 2024 –, doch es ist etwas völlig anderes, wenn eine Fusion tatsächlich umgesetzt wird.
Besonders bemerkenswert ist in diesem Fall, dass beide belgischen Teams eine gemeinsame Basis finden konnten – und das, obwohl eigentlich jede Fusion zwei Seiten haben muss, die am Ende etwas gewinnen.
Der Tour-de-France-Sieger von 1996, Bjarne Riis, kennt die wirtschaftliche Realität hinter den Kulissen sehr genau. Von 2001 bis 2013 leitete er selbst ein WorldTour-Team, zunächst unter dem Namen CSC, später Saxo Bank und SunGard, bevor er an den russischen Unternehmer Oleg Tinkoff verkaufte. Aus seiner Sicht sind die finanziellen Anforderungen in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen.
„Als wir in meinem Team am meisten Personal hatten, waren es 85 Mitarbeiter“, erzählt er im Gespräch mit Feltet. „Heute beschäftigen die großen Teams bis zu 120 Leute. Es braucht einfach mehr, um ein Team auf Topniveau zu halten. Deshalb wäre es für viele sinnvoll, zu fusionieren.“
Neben Lotto–Intermarché wird auch Arkéa–B&B Hotels vollständig von der Bildfläche verschwinden. Für den französischen Radsport ist das bereits der zweite große Rückschlag innerhalb weniger Jahre, nachdem Ende 2022 das ProTeam B&B Hotels–KTM seine Strukturen aufgab und der Titelsponsor zu Arkéa wechselte. Die Frage steht im Raum, ob Arkéa sich nicht mit Cofidis oder TotalEnergies zusammenschließen könnte, um für 2029 wieder ein finanziell starkes WorldTour-Projekt zu formen.
„Ich verstehe nicht, warum nicht noch mehr Teams fusionieren“, so Riis. „Die Anforderungen, um an der Spitze des internationalen Radsports zu stehen, steigen stetig. Doch als Teambesitzer geht man sehr weit, bevor man bereit ist, zu fusionieren.“
Denn aus seiner Erfahrung scheitern Fusionsbestrebungen häufig nicht an wirtschaftlicher Logik, sondern an persönlichen Faktoren: „Es ist schwer, Kontrolle abzugeben – selbst wenn es für die Organisation sinnvoll wäre. Am Ende geht es um Macht, genau wie in jedem großen Unternehmen, das sich neu strukturieren muss. Viele Teams halten an der Vorstellung fest, dass sie weiterhin im Konzert der Großen mitspielen können.“
Und auf die Frage, ob kleinere Teams Fusionen manchmal eher aus Stolz verhindern als aus Vernunft, antwortet Riis ohne Zögern: „Oh ja. Am Ende geht es vor allem um Stolz.“
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