„Er hat seinen Kopf hingehalten“ – Warum Brian Holm Jonas Vingegaards EM-Start trotz Pleite verteidigt

Radsport
durch Nic Gayer
Montag, 06 Oktober 2025 um 15:30
Jonas Vingegaard
Jonas Vingegaards Debüt bei den Europameisterschaften war fast so schnell vorbei, wie es begonnen hatte. Der Tour-de-France-Sieger fand nie in den Rhythmus und stieg über 100 Kilometer vor dem Ziel aus. Doch für den früheren dänischen Sportdirektor Brian Holm war der Start des Dänen in Frankreich trotzdem ein Erfolg – wenn auch auf andere Weise.
„Es bestand immer die Möglichkeit, dass es 80 Prozent Marketing und 20 Prozent sportliches Ergebnis sein würden“, sagte Holm dem Ekstra Bladet nach Vingegaards frühem Aus. „Das weiß man erst nach dem Rennen. Hinterher sind wir alle Professoren. Aber ich denke, es hat sich gelohnt. Der Marketingwert allein macht alles wieder wett.“

„Wenn Vingegaard startet, hebt das das ganze Team an“

Vingegaard fiel zurück, als das Feld zum zweiten Mal die anspruchsvolle Côte de Saint-Romain-de-Lerps hinaufkletterte. Von Beginn an fehlte ihm die Spritzigkeit, und als das Tempo stieg, wurde er rasch abgehängt. Das Rennen entwickelte sich schließlich zu einer weiteren Machtdemonstration von Tadej Pogacar, der sich mit einem 75 Kilometer langen Solo souverän den EM-Titel sicherte.
Trotz der schwachen Vorstellung bleibt Holm überzeugt, dass Vingegaards Einsatz richtig war. „Man muss das Gesamtbild sehen“, erklärte er. „In Frankreich waren Journalisten, die sonst nie dort gewesen wären. Egal, wie das Rennen lief – der dänische Verband hat enorm profitiert. Seine Sponsoren haben ihre Investition zehnfach zurückbekommen, nur weil Jonas am Start stand.“
Holm erinnerte sich an seine Zeit als Teamchef: „Ich weiß noch, wie wir einmal Axel Merckx verpflichtet haben. Ich fragte meinen Chef: ‚Er wird nicht viel gewinnen, oder?‘ Und er sagte: ‚Nein, aber es ist zu 80 Prozent Marketing. Die Sponsoren lieben ihn.‘ So ist es auch hier. Wenn Vingegaard auf der Startliste steht, hebt das die ganze Nationalmannschaft. Die Sponsoren lieben es.“
Auch innerhalb des dänischen Teams sorgte Vingegaards Teilnahme für Begeisterung. „Ich verspreche Ihnen, die U23-Fahrer fanden es großartig, mit Jonas unterwegs zu sein – er ist fast schon ein Mythos“, so Holm. „Eines Tages werden sie sagen: ‚Ich war bei der EM mit dem Mann, der zweimal die Tour de France gewonnen hat.‘ Ich bin sicher, dort unten wurden einige heimliche Selfies mit ihm gemacht.“

„Er hat gelitten – aber er hat sich gestellt“

Dass Vingegaard in Frankreich so früh strauchelte, kam für Holm nicht überraschend. Die Anzeichen dafür habe man schon bei der Vuelta a Espana gesehen, wo der Däne nach zwei Grand Tours in einem Jahr sichtbar ausgelaugt war.
„Auf der Angliru-Etappe hat er eindeutig gelitten“, erklärte Holm. „Ich sprach mit Michael Morkov und sagte: ‚Er wird wahrscheinlich die EM absagen. Zwei Grand Tours in einem Jahr fordern ihren Tribut.‘ Aber nach der Vuelta sagte Morkov, er wolle zu 100 Prozent starten – das war natürlich immer riskant.“
Bei nur drei Wochen Regeneration und Training in Glyngore sei Vingegaards Entscheidung, dennoch anzutreten, laut Holm bemerkenswert. „Das war keine einfache Entscheidung“, sagte er. „Man kann sagen, es hätte Alternativen gegeben – aber gab es die wirklich? Ich finde es bewundernswert, dass er in den dänischen Farben angetreten ist. Er hat seinen Kopf hingehalten und sich gestellt. Und manchmal, wenn man das tut, muss man eben einen Schlag einstecken – genau das ist passiert.“
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