Oliver Naesen ist ein erfahrener Klassikerfahrer und Straßenkapitän, der fest in der World Tour verankert ist. Der Belgier fährt für Decathlon AG2R La Mondiale und erlebt hautnah, wie sich der Profiradsport wandelt und wie stark sich die Topfahrer heute konzentrieren müssen.
Von familiärer Atmosphäre zu harten Geschäftsentscheidungen
Naesen wechselte 2017 von IAM Cycling zu AG2R und prägt seit fast einem Jahrzehnt die französische Mannschaft. „Früher war es viel familiärer. Man konnte sich noch ins Team einbringen, jetzt treffen wir harte, geschäftsmäßige Entscheidungen. Die Dinge sind härter geworden, und das ist nicht immer einfach, aber es spiegelt sich in den Ergebnissen wider“, sagte er gegenüber Het Nieuwsblad.
„Letztes Jahr hat Decathlon einen neuen CEO ins Team geholt, Dominique Serieys, ein Geschäftsmann durch und durch. Letztes Jahr haben wir acht Mal gewonnen, jetzt müssen wir mit fast demselben Kern über zwanzig Siege einfahren. Das hat uns die Augen geöffnet: Wenn wir die Leistung in den Vordergrund stellen und keine Abstriche machen, schlägt sich das in den Rennergebnissen nieder“, erklärt Naesen.
Naesen gilt nach wie vor als starker Klassiker-Fahrer. @Sirotti
Der Belgier gibt zu, dass er den Druck in einem Spitzenteam trotz seines fortgeschrittenen Alters genießt: „Man könnte meinen, dass es ungesund ist, seine Ambitionen offen zu zeigen, aber ich halte das für sehr positiv. Der Spitzensport ist einfach eine andere Welt.“
Decathlon verändert Budget, Material und Teamstruktur
Naesen betont, dass der Einstieg von Decathlon 2024 nicht nur das Budget, sondern auch das Material verändert hat: „Früher musste das Team mit dem Geld haushalten. Wenn wir bestimmte Komponenten wie Laufräder wollten, entschieden wir uns für Marken, die sie liefern konnten, oft zu einem Kompromiss in der Qualität.“
„Wenn Decathlon eine Laufradmarke anspricht, um das Team zu sponsern, kann das Unternehmen über Nacht zum größten Kunden werden, weil diese Laufräder dann standardmäßig in allen ihren Fahrrädern verbaut werden. Deshalb sind sie bereit, dem Team ein paar hundert Laufräder zu schenken. So einen Einfluss haben andere Teams nicht“, erklärt er.
Auch kulturell hat sich das Team gewandelt. Naesen kam damals in Romain Bardets fast rein französischen Block, der auf Grand Tours setzte, und trotz Bardets Weggang blieb die Struktur ähnlich. Mit der Verpflichtung von Fahrern wie Paul Seixas, Olav Kooij, Tiesj Benoot und Matthew Riccitello spricht das Team nun mehrere Sprachen und öffnet sich für internationale Talente. „Vor einigen Jahren wollte Brent Van Moer beitreten, lehnte aber ab, weil sein Französisch nicht gut genug war. Heute ist das kein Problem mehr“, sagt Naesen.
Der Belgier freut sich auch auf die neue Führungsriege im Team, darunter Sprinter Olav Kooij. „Er ist erst 24 Jahre alt, aber schon ein Weltklasse-Sprinter. Mit voller Unterstützung des Teams kann er zwanzig Rennen gewinnen – das ist schon die Hälfte unserer Saison“, betont Naesen.