Miguel Induráin zählt zu den größten Radfahrern aller Zeiten. Betrachtet man ausschließlich seine Zeitfahrleistungen, führt an ihm in der Diskussion um den „Besten aller Zeiten“ kaum ein Weg vorbei. Doch der Spanier war weit mehr als ein Spezialist gegen die Uhr: Auch in den Hochalpen konnte er selbst die besten Kletterer neutralisieren – mit einer Mischung aus physischer Überlegenheit, taktischer Kühle und eiserner Konstanz.
So entstand eine legendäre Bilanz: fünf Gesamtsiege bei der
Tour de France, zwei beim Giro d’Italia, dazu ein Weltmeistertitel im Zeitfahren und olympisches Gold. Aber welche seiner Erfolge stechen besonders hervor?
Induráin debütierte 1984 als Profi, feierte ab 1988 erste Siege, etablierte sich 1991 endgültig in der Weltspitze und verabschiedete sich 1996 – mit nur 32 Jahren – auf höchstem Niveau. Heute ist er noch immer eine prägende Stimme des Radsports.
Hier sind fünf seiner ikonischsten Triumphe.
1. Tour de France 1991
Miguel Induráin hatte bereits mehrfach seine Klasse angedeutet, doch 1991 folgte der endgültige Beweis seiner Grand-Tour-Dominanz. Der Prolog in Lyon brachte Platz sieben – ein solider Auftakt, aber noch keine Vorahnung des Kommenden. In der ersten Woche hielt er sich zurück, ehe er im Zeitfahren von Alençon seine Paradedisziplin ausspielte: souveräner Sieg, Sprung auf Rang vier der Gesamtwertung.
In den Pyrenäen zeigte sich dann, dass Induráin mehr war als ein Zeitfahrer. Auf der Etappe nach Jaca wurde er Siebter, in Val Louron schließlich Zweiter – nur Claudio Chiappucci schlug ihn im Sprint. Das reichte, um das Gelbe Trikot zu übernehmen. Auf der Alpe d’Huez wurde er erneut Zweiter, diesmal hinter Gianni Bugno, doch das Gelb ließ er sich nicht mehr nehmen.
Zum Abschluss gewann er auch das Zeitfahren in Mâcon und besiegelte damit seinen ersten von fünf aufeinanderfolgenden Tour-de-France-Siegen – eine Serie, die ihn in den Olymp des Radsports katapultierte.
2. Tour de France 1992
Als Titelverteidiger und klarer Topfavorit reiste Miguel Induráin 1992 zur Tour de France an – und ließ von Beginn an keinen Zweifel an seiner Absicht. Schon im Prolog von San Sebastián setzte er ein Ausrufezeichen und übernahm früh die Kontrolle über das Rennen. Nach konstanten Leistungen in den ersten Etappen – Sechster in Pau, Siebter im Mannschaftszeitfahren von Libourne – fiel er nur kurzzeitig aus den Top Ten.
Dann kam das legendäre Einzelzeitfahren in Luxemburg, das zu einer seiner eindrucksvollsten Machtdemonstrationen werden sollte. Induráin deklassierte die Konkurrenz, nahm Armand de las Cuevas fast drei Minuten ab und schob sich endgültig in die Favoritenrolle. Nur Pascal Lino lag noch vor ihm – bis Sestriere. Dort fuhr Induráin mit eiserner Kontrolle auf Rang drei hinter Claudio Chiappucci und Franco Vona und übernahm das Gelbe Trikot.
Von da an gab er es nicht mehr ab. Er wurde Sechster auf der Alpe d’Huez, Siebter in La Bourboule und gewann das abschließende Zeitfahren in Blois – sein Markenzeichen. Auf dem Pariser Podium wiederholte sich das Bild des Vorjahres: Induráin oben, Chiappucci und Bugno darunter – nur in vertauschter Reihenfolge.
Miguel Induráin, im Zeitfahren von Luxemburg während der Tour de France 1992. Imago
3. Giro d’Italia 1992
Nur einen Monat vor seinem zweiten Toursieg hatte Miguel Induráin bereits Geschichte geschrieben. Beim Giro d’Italia 1992 dominierte er mit der Präzision eines Uhrwerks und legte damit den Grundstein für seinen legendären Doppelerfolg.
Er startete stark in Genua, wurde im Auftaktzeitfahren Zweiter hinter Thierry Marie – ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Drei Tage später, im Zeitfahren von Sansepolcro, schlug er zurück, gewann mit Bestzeit und übernahm das Rosa Trikot. Von diesem Moment an gab er es nicht mehr ab – drei Wochen lang, bis Mailand.
Induráin kontrollierte das Rennen mit kalter Effizienz: Neunter in Sulmona, Fünfter am Monte Terminillo, Zweiter in Corvara, Fünfter am Monte Bondone, Vierter in Sondrio, Dritter am Pian del Re, Fünfter in Pila und Vierter in Verbania. Und zum Abschluss setzte er noch ein Ausrufezeichen: Sieg im letzten Zeitfahren in Mailand.
Mit einer Mischung aus Ruhe, Kontrolle und Überlegenheit gewann er seinen ersten Giro – flankiert auf dem Podium von Claudio Chiappucci und Franco Chioccioli, zwei der größten italienischen Fahrer jener Zeit. Es war der Beginn von Induráins Doppeldominanz – Giro und Tour im selben Jahr, ein Kunststück, das er 1993 wiederholen sollte.
4. Weltmeisterschaft Zeitfahren 1995 (Duitama, Kolumbien)
Nach Jahren der Dominanz bei Grand Tours und Zeitfahren wagte sich Miguel Induráin 1995 in neues Terrain: Er reiste nach Kolumbien zu seinem Debüt bei den Weltmeisterschaften im Einzelzeitfahren – der ersten Austragung dieser Disziplin überhaupt.
In der Höhenluft von Duitama zeigte der Spanier einmal mehr, warum er als der Inbegriff der Effizienz galt. Mit kraftvollen, gleichmäßigen Tritten fuhr er die Konkurrenz in Grund und Boden und sicherte sich souverän das erste Regenbogentrikot im Zeitfahren der Geschichte.
Er siegte mit 49 Sekunden Vorsprung auf seinen Landsmann Abraham Olano – mit dem er wenige Tage später im Straßenrennen die Rollen tauschen sollte – und 2:03 Minuten auf den Deutschen Uwe Peschel. Lokalmatador Dubán Alberto Ramírez folgte als Vierter, bereits mehr als drei Minuten zurück.
Induráin hatte einmal mehr Geschichte geschrieben: Er war nicht nur der König der Grand Tours, sondern nun auch der erste offizielle Weltmeister im Kampf gegen die Uhr.
5. Olympische Goldmedaille im Zeitfahren (Atlanta 1996)
Die Olympischen Spiele von Atlanta markierten einen weiteren Meilenstein: Zum ersten Mal stand ein Einzelzeitfahren im olympischen Programm. Und natürlich konnte der Premierensieger kaum ein anderer sein als Miguel Induráin.
Weniger als zwei Monate vor seinem Karriereende reiste der Spanier in die USA – und krönte sich noch einmal selbst. Mit der ihm typischen Ruhe und Präzision dominierte er den Kurs rund um Atlanta und gewann Gold, 12 Sekunden vor seinem Landsmann Abraham Olano und 31 Sekunden vor dem Briten Chris Boardman, dem ersten Weltmeister dieser Disziplin.
Für Induráin war es der letzte große Triumph seiner Karriere – ein würdiger Abschluss einer Ära, in der er den Radsport geprägt hatte wie kaum ein anderer.
Original: Victor Gonzalez.