Primoz Roglic hat in den letzten beiden Bergetappen der
Tour de France alles auf eine Karte gesetzt. Der 35-jährige Slowene startete zwei lange Attacken, die die Zuschauer begeisterten, ihm letztlich aber mehr kosteten als einbrachten. Einst Fünfter der Gesamtwertung, liegt Roglič nun auf Rang acht – mit über zwölf Minuten Rückstand – nach seinem kompromisslosen Kampf um einen Etappensieg. Doch für den fünffachen Grand-Tour-Sieger war ein Top-Fünf-Platz nie das eigentliche Ziel.
„Es war alles oder nichts – und am Ende war es fast nichts. Aber ich habe alles gegeben und es genossen. Zumindest war ich im Fernsehen. Wenn schon nicht am Ende, dann wenigstens nach dem Start“, sagte Roglič lachend im
Interview mit TVSLO. Ob er seine Taktik bereue? „Ganz klar: Nein.“
Roglič wird die Tour de France zum ersten Mal seit fünf Jahren beenden. 2020 verlor er das Gelbe Trikot dramatisch an Tadej Pogačar auf der vorletzten Etappe, 2021, 2022 und 2024 musste er jeweils nach Stürzen aufgeben. Jetzt, da Pogačar vor seinem vierten Gesamtsieg steht, kamen Rogličs riskante Angriffe nicht aus Verzweiflung, sondern aus Freiheit: Er fährt nicht mehr mit dem Druck, das Gesamtklassement gewinnen zu müssen – sondern, um zu zeigen, dass er auf der größten Bühne des Radsports noch immer glänzen kann.
Doch seine Angriffe kosteten nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Teamdirektor Bernhard Eisel sagte gegenüber Eurosport: „Roglič hätte liebend gern die Etappe gewonnen, aber am Ende hat es nicht gereicht.“ Ein fünfter Platz in Paris bringt 50.000 Euro an Preisgeld – der achte nur 7.600 Euro.
„Für uns als Teamkollegen wäre es natürlich schön gewesen, wenn Roglič Vierter oder Fünfter geworden wäre“, sagte Bernhard Eisel. „Aber wir kennen seine Erfolge, und man muss das respektieren. Er hat darum gekämpft. Die Tour ist noch nicht vorbei – zwei Tage sind es noch, und wir stehen gut da.“
Roglič war nach einem brutalen Giro d’Italia, bei dem er mehrfach stürzte und schließlich aufgab, mit wenig Rückenwind in die Tour gestartet. Auch nach der ersten Woche sah es nicht vielversprechend aus. Doch im Laufe des Rennens fand er zu besserer Form zurück und zeigte in den letzten Tagen wieder Anzeichen jenes Kämpfers, den man aus den vergangenen Jahren kennt.
Hinter Roglič konzentrierte sich das Team auf
Florian Lipowitz, der nun kurz davor steht, sensationell Dritter der Gesamtwertung zu werden – inklusive Gewinn des Weißen Trikots. „Manchmal weiß er gar nicht, wie stark er ist – dann kommen Zweifel. Aber er hat unglaublich gekämpft und sich das wirklich verdient“, so Eisel weiter. „Ich denke nicht, dass es ein Risiko war, ihn auf dem letzten Anstieg alleine zu lassen. Der Abstand lag nur bei 20 Sekunden, das hätte nichts verändert. Wir hatten gehofft, dass Roglič mithalten kann, aber bei dem extrem hohen Tempo war das nicht möglich. Am Ende hat Lipo das richtig stark gemacht.“
Lipowitz selbst blieb trotz seines Durchbruchs im Juli bodenständig.
„Nach gestern wusste ich, dass Oscar sehr stark ist, und ich musste an seinem Hinterrad bleiben. Ich denke, ich habe das heute ganz gut gemacht. Natürlich denkt man auf dem letzten Anstieg viel nach. Man weiß nie, wie sich die Beine am Ende anfühlen, aber ich hatte ein gutes Gefühl – und als ich gesehen habe, dass er zurückfällt, habe ich alles gegeben. Ich bin super glücklich mit dem heutigen Tag.“
„Es ist unglaublich, aber ich erwarte morgen nochmal einen harten Tag mit vielen Höhen und Tiefen“, sagte Lipowitz. „Jeder wird versuchen, dran zu bleiben, also müssen wir konzentriert bleiben. Heute war einfach fantastisch. Es war unglaublich, so viele Fans zu sehen, die mich angefeuert haben – und meinen Namen auf der Straße zu sehen. Das hatte ich noch nie erlebt. Ich hatte während des Rennens richtig Gänsehaut.“