"Wout hat das Finale in Italien gescoutet" - Visma jubelt nach perfekter Giro-Etappe 9 für Van Aert und Simon Yates

Radsport
Montag, 19 Mai 2025 um 13:00
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Die 9. Etappe des Giro d’Italia 2025 war ein denkwürdiger Tag für Wout van Aert und das Team Visma | Lease a Bike. Auf den ikonischen weißen Straßen der Toskana und über das Kopfsteinpflaster der Piazza del Campo in Siena feierte der Belgier seinen 50. Karrieresieg – ein lang ersehnter Triumph, der seinen schwierigen Saisonstart vergessen ließ.
Van Aert hatte 2025 bereits mehrfach aufgezeigt – mit vierten Plätzen bei der Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix sowie zweiten Plätzen beim Amstel Gold Race und der Brabantse Pijl –, doch der Sieg blieb bis dato aus. Umso symbolischer, dass er nun auf Terrain zuschlug, das einst seinen Durchbruch markierte: Die Strade Bianche war 2018 sein erstes großes Ausrufezeichen, 2020 folgte dort sein erster Sieg.
Ursprünglich schien Van Aert im Dienste seines Teamkollegen Simon Yates zu fahren, doch rund 50 Kilometer vor dem Ziel änderte sich das Drehbuch: Der Belgier attackierte, schloss zu einer Gruppe um Egan Bernal, Thymen Arensman, Brandon Rivera und Isaac Del Toro auf und verwickelte Del Toro in ein packendes Duell, das auf den Schlussanstieg der Via Santa Caterina zusteuerte.
Dort rief Van Aert alles ab. Er blieb am Hinterrad des jungen Mexikaners, nutzte die letzte Kurve für den entscheidenden Vorstoß und ließ Del Toro auf den letzten Metern keine Chance. Ein großer Moment für Van Aert – und für das gesamte Team, das mit dem fünften Platz von Yates einen starken Tag abrundete. Und dieser Sieg war dringend nötig.
Mit dem Etappensieg in Siena komplettierte Van Aert sein Grand-Tour-Triple: Nach Erfolgen bei der Tour de France und der Vuelta a España triumphierte er nun auch beim Giro – ein Beweis für seine Vielseitigkeit, Ausdauer und Klasse.
Nur wenige Fahrer wurden jemals so getestet wie Van Aert im Jahr 2025.
Nur wenige Fahrer wurden jemals so getestet wie Van Aert im Jahr 2025.

Denkweise von Wout Van Aert

Im Gespräch mit IDLProCycling.com gab der Sportdirektor des Team Visma | Lease a Bike, Marc Reef, einen Einblick in die Denkweise von Van Aert am Wochenende.
„Wout war am Samstag extrem entschlossen, in die Ausreißergruppe zu kommen – fast zu sehr“, erklärte Marc Reef im Rückblick auf die 9. Etappe des Giro d’Italia 2025. „Er hat dafür viel Energie investiert, mehr als sonst. Wenn man etwas unbedingt will, neigt man manchmal dazu, es zu erzwingen.“
Doch Van Aert wusste genau, wann der richtige Moment gekommen war. „Am letzten Anstieg in Siena hatte er eine einzige Chance, und er wusste, dass er sie in diesen 150 Metern nutzen musste“, so Reef weiter. „Er kennt das Finale durch und durch – er ist die Strade mehrmals gefahren, hat sich das Finale noch einmal genau angeschaut. Dieses Wissen hat er perfekt umgesetzt.“
Reef lobte die mentale Stärke seines Fahrers, der sich nach dem schweren Sturz bei der Vuelta 2024 und einem enttäuschenden Frühjahr eindrucksvoll zurückmeldete. „Das ist ein fantastisches Ergebnis. Nicht alles hat in den Klassikern so funktioniert, wie er es sich erhofft hatte. Und die Vorbereitung war alles andere als ideal. Bis zur 5. Etappe hatte Wout Schwierigkeiten, selbst auf flachen Etappen seine Rolle zu erfüllen. Aber er hat sich Tag für Tag zurückgekämpft. Ab dem sechsten Tag kam langsam wieder das gute Gefühl.“
Auch Van Aert selbst zeigte sich in der Teammitteilung tief bewegt: „Ich muss niemandem erklären, wie hart ich gearbeitet habe, um wieder auf dieses Niveau zu kommen. Es war eine lange Reise. Das heute war mehr als nur ein Sieg – es ist die Belohnung für all die Mühe der letzten Monate.“
Er zollte seinem jungen Konkurrenten Respekt: „Isaac ist ein unglaubliches Rennen gefahren. Ich wusste, dass ich als Erster aus der letzten Kurve kommen musste – das war der Schlüssel.“
Dass dieser Sieg ausgerechnet in Siena gelang, hatte für Van Aert besondere Bedeutung: „Hier begann 2018 alles für mich – bei der Strade Bianche habe ich erstmals gezeigt, was ich auf diesem Niveau leisten kann. Zwei Jahre später habe ich das Rennen gewonnen. Dass ich jetzt hier auch eine Giro-Etappe gewinne, ist ein ganz besonderes Gefühl. Es fühlt sich verdammt gut an.“
War dies Simon Yates' bisher beste Leistung für Visma?
War dies Simon Yates' bisher beste Leistung für Visma?

Simon Yates

Auch für Simon Yates gab es Anlass zur Zuversicht: Der Brite liegt aktuell auf dem sechsten Platz der Gesamtwertung und überzeugt mit Konstanz und taktischem Feingefühl. Sportdirektor Marc Reef lobte seine intelligente Fahrweise ausdrücklich:
„Simon war während des gesamten Giro da, wo er sein musste. Das ist seine große Stärke – er drängt sich nicht auf, sondern beobachtet genau, wann der richtige Moment kommt. Am wichtigsten Punkt des Tages, dem ersten Schotterabschnitt, war unser Team als erstes vorne – das war stark von ihm.“
Reef betonte zudem, dass Einzelresultate nicht alles sagen: „Etappen wie die am Freitag mit einer Bergankunft über nur drei Kilometer sind immer etwas speziell. Aber Simon ist ruhig, fokussiert und fühlt sich körperlich gut – das ist entscheidend für das, was noch kommt. Auch für Wout ist das wichtig.“
Zum Abschluss zog Reef ein positives Zwischenfazit der ersten Giro-Woche: „Lass uns diesen Moment erst einmal genießen. Es war eine harte erste Woche für uns, aber sie endet mit einem echten Highlight. Danach blicken wir nach vorn.“
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