WM in Ruanda in der Kritik: „Journalismus ist lebensgefährlich – doch die UCI ignoriert hunderte Seiten über Kriegsverbrechen“

Radsport
Freitag, 19 September 2025 um 13:30
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Während sich die UCI auf die erste Straßenrad-Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden vorbereitet, kommt scharfe Kritik an der Wahl des Austragungsortes auf. Der renommierte Akademiker Filip Reyntjens, emeritierter Professor der Universität Antwerpen und Experte für die Region der Großen Seen, stellte die Entscheidung, die Titelkämpfe nach Kigali zu vergeben, massiv infrage.
Im Vorfeld der WM 2025 warf er der UCI vor, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen zu ignorieren und Ruandas blutige Rolle im benachbarten Kongo auszublenden. „Es ist lebensgefährlich, dort als Journalist zu arbeiten“, warnte Reyntjens in Zitaten, die Het Nieuwsblad veröffentlichte. „Jede abweichende Stimme wird unterdrückt. Der UN-Mapping-Report von 2010 listet auf Hunderten Seiten Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit Ruandas Rolle im Kongo auf. Kagame ist – wenn auch nicht persönlich, so doch als Anführer – für Hunderttausende zivile Todesopfer verantwortlich. Doch das scheint der UCI völlig egal zu sein.“

Ein Regime im Rampenlicht

Paul Kagame, der Ruanda seit über 25 Jahren regiert und 2024 mit über 99 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde, steht seit Langem im Verdacht, ein autoritäres System zu führen und Sport zur Imagepflege zu nutzen. Zwar verweist die Regierung auf moderne Infrastruktur und internationale Anerkennung, doch Reyntjens sieht darin nur Fassade.
„Es gibt keine Opposition, Ruanda ist faktisch ein Einparteiensystem. Unabhängiger Journalismus existiert nicht mehr, diese Arbeit ist schlicht zu gefährlich“, betonte er.
Trotz der anhaltenden Kritik blieb UCI-Präsident David Lappartient unnachgiebig. Forderungen des Europäischen Parlaments und mehrerer Regierungen, Ruanda die Austragungsrechte zu entziehen, wies er zurück. „Es gibt keinen Plan B“, erklärte er Anfang des Jahres und bezeichnete die WM in Kigali als Meilenstein für die globale Expansion des Radsports.

Radfahren am Scheideweg

Für Reyntjens hat dieser Ehrgeiz einen hohen moralischen Preis. Er verweist auf Kagames konsequente Nutzung des Sports zur Selbstdarstellung – von millionenschweren Sponsorenverträgen mit Arsenal, PSG und Bayern München bis hin zu Auftritten bei prestigeträchtigen Events wie der Formel-1-Gala.
„Das ist Sportwäsche in Reinform“, so Reyntjens. „Ruanda gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, zahlt aber zweistellige Millionenbeträge an Europas reichste Fußballclubs. Internationale Stars werden nach Kigali gelockt, geblendet von makellosen Straßen und modernen Arenen – ohne jede Ahnung von der politischen Realität.“

Mehr als nur ein Sportfest

Wenn in Kigali die Regenbogentrikots überreicht werden, wird die UCI die WM zweifellos als historischen Durchbruch feiern. Doch Reyntjens’ Einschätzung unterstreicht, dass es für viele weniger um die globale Entwicklung des Sports als vielmehr um politische Komplizenschaft geht.
„Die politische Lage ist dramatisch“, fasste er zusammen. „Die Vergabe der WM nach Ruanda ist bereits ein Akt der Anerkennung – eine Legitimation für ein Regime, das systematisch unterdrückt und Gewalt gegen Zivilisten verübt. Die UCI kann nicht behaupten, davon nichts gewusst zu haben.“
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