Lidl-Trek blickt realistisch auf seine Position in der aktuellen Klassiker-Hierarchie. Mit Mathieu van der Poel, Tadej Pogacar und Remco Evenepoel, die die Siege bei den größten Eintagesrennen neu definieren, sind die Fehlermargen drastisch geschrumpft.
„Uns ist natürlich klar, dass wir gegen sehr starke Rivalen wie Van der Poel, Pogacar und Evenepoel antreten müssen“,
sagte Steven de Jongh im Gespräch mit Sporza. „Aber mit dem Team, das wir jetzt für die Klassiker zusammenstellen, sollten wir dieses Ziel unbedingt erreichen können.“
Diese Zuversicht wird durch einen unangenehmen Bezugspunkt geschärft. Lidl-Trek hat seit Jasper Stuyvens Sieg bei Milano–Sanremo 2021 kein Monument mehr gewonnen.
„Seit Jasper Stuyven bei Milano–Sanremo 2021 standen wir zuletzt auf der obersten Stufe eines Monuments“, sagte De Jongh. „Das ist fast fünf Jahre her.“
Pedersen bleibt die Achse
Trotz der veränderten Landschaft dreht sich der Klassiker-Plan von Lidl-Trek weiterhin um
Mads Pedersen. De Jongh machte keinen Versuch, diese Realität zu kaschieren.
„In den Kopfsteinpflaster-Klassikern ist Mads Pedersen der absolute Leader“, sagte er.
Statt Pedersens Rolle neu zu erfinden, verdoppelt Lidl-Trek das, was aus ihrer Sicht weiterhin funktioniert. Sein Programm fokussiert erneut auf Milano–Sanremo, die flämischen Rennen und Paris–Roubaix, in der Überzeugung, dass Wiederholung, Robustheit und Rennintelligenz selbst in einer Ära explosiver Rennen entscheidend bleiben.
Geändert hat sich die Struktur um ihn herum.
Vacek als Schutzschild und Nachfolger
Am deutlichsten wurde in De Jonghs Analyse, wie offen Lidl-Trek das Leben nach Pedersen plant, obwohl er noch im Zentrum des Projekts steht.
Mathias Vacek ist dabei die Schlüsselfigur.
„Vacek wird mit Mads Pedersen siamesisch verbunden sein“, erklärte De Jongh. „Sie werden ein sehr ähnliches Programm fahren.“
Diese Abstimmung ist kein Zufall. Lidl-Trek will, dass Vacek Rhythmus, Positionierung und Anforderungen der Kopfsteinpflaster-Klassiker direkt an der Seite des etablierten Leaders verinnerlicht. De Jongh war zur Absicht dahinter klar: „Vacek kann viel von Mads lernen. Er wird sich in den kommenden Jahren schön weiterentwickeln.“
Das langfristige Bild wurde unmissverständlich gezeichnet. „Wenn Pedersen eines Tages aufhört, wird Vacek ganz sicher bereit sein, diese Rolle zu übernehmen.“
Statt Nachfolge als Zukunftsproblem zu behandeln, verankert Lidl-Trek sie in der aktuellen Klassiker-Strategie.
Soderqvist als Störer
Wenn Pedersen für Kontinuität steht und Vacek die Zukunft verkörpert, bringt Jakob Soderqvist eine weitere Facette. De Jongh sieht den Schweden nicht als Spezialisten, sondern als Fahrer, der Rennverläufe verändern kann.
„Soderqvist wird in dieser Saison ein fester Bestandteil unseres Klassiker-Kerns sein“, sagte er über einen Fahrer, der intern bereits Eindruck hinterlassen hat. „Letztes Jahr hat er uns in bestimmten Momenten schon beeindruckt.“
Auffällig ist, dass Lidl-Trek ihn nicht auf eine Funktion festlegt. De Jongh betonte, Soderqvist „zeigt bergauf sehr gute Dinge, ist ein Phänomen im Zeitfahren und hat bereits sehr starke Lead-outs geliefert“, eine Kombination, die dem Team taktische Freiheit gibt, wenn Rennen früher als erwartet zerfallen.
Fokussierteres Profil, klarer Plan
Jenseits der breiteren Kaderdebatte offenbaren De Jonghs Aussagen eine eng gefasste Klassiker-Vision. Pedersen bleibt der Leader, Vacek wird als Leutnant und Nachfolger aufgebaut, und Soderqvist bringt Unberechenbarkeit gegen übermächtige Rivalen.
Lidl-Trek weiß genau, wen es jagt. Die Antwort ist nicht, Starpower zu spiegeln, sondern um Pedersen eine Struktur zu bauen, die unterschiedliche Rennszenarien übersteht und die fünf Jahre ohne Monument endlich in etwas Greifbares verwandelt.