Tadej Pogacar feierte beim
Criterium du Dauphine 2025 einen weiteren überwältigenden Gesamtsieg. In den Bergen dominierte der Slowene wie gewohnt – scheinbar unaufhaltsam. Doch eine Nuance stach hervor: Sein vierter Platz im
Zeitfahren auf Etappe 4. Für einen Fahrer seines Kalibers mag das nicht nach einer Niederlage klingen, doch der Verlust von 48 Sekunden auf
Remco Evenepoel und 28 Sekunden auf
Jonas Vingegaard warf Fragen auf – insbesondere im Hinblick auf die
Tour de France, wo Zeitfahren eine entscheidende Rolle spielen könnten.
Die Analyse: Aerodynamik auf Kosten der Effizienz?
Bewegungsanalytiker Stefan Deckx von der Universität Antwerpen hat Pogacars Position genauer unter die Lupe genommen – und sieht klare biomechanische Schwächen, die sich auf seine Zeitfahrleistung auswirken:
„Pogacars Schwerpunkt liegt zu weit vorne“, erklärt Deckx. „Seine Ellbogenposition verhindert, dass er genug Druck auf das Hinterrad bringt – das beeinträchtigt die Fahrstabilität, besonders in Kurven, und reduziert die Effizienz bei hohen Geschwindigkeiten.“
Laut Deckx liegt der Unterschied zu Evenepoel in der Körpergeometrie auf dem Rad. Während sich bei Evenepoel wichtige biomechanische Linien exakt an der Vorderradnabe treffen (ein Idealzustand), sei dieser Schnittpunkt bei Pogacar nach hinten und oben verschoben – ein Zeichen für eine weniger stabile, kraftübertragende Position.
Deckx weiter:
„Pogacar erzeugt weniger 'Abtrieb'. Sein Oberkörper drückt das Rad nicht so effizient nach unten wie etwa ein Formel-1-Auto auf die Straße. Dadurch verliert er Grip, Effizienz und auch Vertrauen in schnelle Kurven.“
Flacher Tritt, schwächerer Impuls
Ein weiteres Problem ist laut Deckx die Pedaltechnik:
„Er tritt flacher und weniger explosiv. Die hintere Muskelkette – also Gesäß, Hamstrings und unterer Rücken – wird nicht optimal genutzt. Vergleichbar mit einem Sprintstart in der Leichtathletik fehlt ihm der richtige Abstoßwinkel.“
Deckx vermutet, dass das UAE-Team zu sehr auf Aerodynamik fokussiert war, ohne die biomechanischen Prinzipien ausreichend zu berücksichtigen:
„Man kann optisch aerodynamischer aussehen – aber wenn die Kraft nicht effizient in Vortrieb umgesetzt wird, verliert man mehr, als man gewinnt.“
Was bedeutet das für die Tour?
Pogacar bleibt der Favorit – keine Frage. Doch Remco Evenepoel und Jonas Vingegaard haben gezeigt, dass sie im Kampf gegen die Uhr eine echte Bedrohung darstellen. Gerade in einem knappen Tourverlauf könnten Sekunden im Zeitfahren über den Sieg entscheiden.
Sollte Pogacar seine Position nicht anpassen – oder biomechanisch optimieren – könnte dieser kleine Schwachpunkt im ansonsten makellosen Gesamtpaket zum kritischen Faktor werden.
Fazit
Ein vierter Platz im Zeitfahren ist keine Katastrophe – aber im Kontext von Pogacars sonstiger Dominanz eine Auffälligkeit. Die Kritik von Deckx bringt ein wichtiges Thema zur Sprache: In der modernen Leistungsoptimierung müssen Aerodynamik und Biomechanik im Einklang stehen. Pogacar und sein Team werden das sicherlich erkannt haben – denn bei der Tour de France gibt es kein Detail, das zu klein wäre, um entscheidend zu sein.